Gracelands statt Jesus-Latschen: Deichmann expandiert

Der Essener Deichmann-Konzern will bis zu 200 neue Schuhläden eröffnen. Das soziale Image der Firma hält Bildern aus Indien nicht stand

ESSEN taz ■ Der Essener Latschen-Mogul Deichmann expandiert: Europas größter Schuhhändler will in Deutschland zwischen 150 und 200 neue Geschäfte eröffnen, verkündete das Unternehmen Anfang der Woche in Essen. Wie viele Arbeitsplätze entstehen, wollte Deichmann allerdings nicht vorhersagen.

Theoretisch können zwei von drei Deutschen Deichmann-Schuhe tragen, 54 Millionen Paar wurden im vergangenen Jahr verkauft. Der Verkaufserfolg schlug auch bei den MitarbeiterInnen durch: In den vergangenen zwei Jahren ist ihre Zahl in Deutschland um rund 1.000 Beschäftigte auf 12.000 angestiegen. Der Schuhhändler betreibt weltweit rund 2.000 Läden, davon die Hälfte in Deutschland. Im Ausland ist Deichmann derzeit unter anderem in Dänemark, der Slowakei, Tschechien und den USA vertreten. Neueröffnungen im Ausland sind in der Türkei, Schweden, Finnland, Slowenien, Kroatien und Russland geplant.

Das Familiengeschäft Deichmann setzt auf sein gutes Image: Gründer Heinz-Horst Deichmann schmückt sich gerne mit dem Satz: „Das Unternehmen muss dem Menschen dienen.“ Es war eine der ersten NRW-Firmen, die nach der Tsunami-Katastrophe spendete, über eine halbe Millionen Euro sollen nach eigenen Angaben in die Krisenregionen geflossen sein. So wie in jeder mittelgroßen Stadt die billigen Treter von Deichmann zu kaufen sind, so begegnet Deichmann den Menschen in Indien und Tansania, in Israel und Bethel mit seinen Stiftungen. Der studierte Theologe spendiert MitarbeiterInnen Gesundheitskuren in der Schweiz und eine Firmenrente, die im Einzelhandel einmalig ist. In Essen finanziert er SozialarbeiterInnen und Streetworker, in Velbert ist er Vorsitzender des „Vereins zur Verhütung von Obdachlosigkeit“. Er lässt Fotos drucken, wie er seinen Goldene-Hochzeit-Kuchen in die Münder von Indern stopft. „Gott wird nicht von mir wissen wollen, wie viele Paar Schuhe ich verkauft habe“, sagt er.

Entsprechen panisch reagierte der Gottesfürchtige, als vor drei Jahren Fernsehbilder zeigten, wie Deichmanns Gerber in Indien barfuß in giftigen Essenzen stehen müssen, wie die Lederproduktion die Umwelt im indischen Bundesstaat Tamil Naduin zerstört. Entsprechende Reportagen in der taz beantwortete Deichmann mit Drohungen, bis er zugeben musste, dass die Bilder der gepeinigten Gerber authentisch sind.

Nicht weit von seiner Krankenstation für Leprakranke nähen InderInnen seine günstigen Schuhe für KundInnen im Westen, auch in China lässt er produzieren. Deichmann gibt an, dass keine Kinder in den Nähfabriken schuften müssen und der Lohn hoch genug für einen „mittelständischen Lebensstil“ sei. Dass seine propagierten Umweltstandards tatsächlich im fernen Kontinent eingehalten werden, kann er allerdings nicht bezeugen. „Wir drängen darauf“, sagt er nur.

Klar ist nur der steigende Profit von Deichmann: Der Umsatz stieg im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Gut die Hälfte davon wurde in Deutschland erwirtschaftet.

ANNIKA JOERES