Buddeln bis die Römer kommen

Für kurze Zeit öffnet sich der Kölner Untergrund für die Erforschung der Stadtgeschichte. Im Rahmen des Baus der Nord-Süd-Bahn suchen über 100 Archäologen in bis zu 13 Meter dicken Erdschichten historische Spuren – etwa vom römischen Hafen

VON ISABEL FANNRICH
UND JÜRGEN SCHÖN

„Union“-Briketts sind die ersten Fundstücke bei den archäologischen Ausgrabungsarbeiten im Rahmen des Nord-Süd-Bahn-Baus. Entdeckt wurden sie vor wenigen Tagen vor dem Dorint-Sofitel-Hotel gegenüber der Philharmonie in 2,50 Meter Tiefe. Doch die Wissenschaftler zieht es noch tiefer: Bis auf 13 Meter unter dem heutigen Straßenniveau wollen sie Kölns Geschichte bis in die Römerzeit erforschen. Am Dienstag tat OB Fritz Schramma mit einem goldfarbenen Spaten den offiziellen ersten Spatenstich des Mammutprojekts. „Das ist ein Meilenstein für die Erforschung der Stadt“, strahlte er in die zahlreichen Kameras. Anfang des Jahres hatten die wissenschaftlichen Grabungen begonnen – fast ein Jahrzent lang sind sie vorbereitet worden.

100.000 Kubikmeter Erde

Parallel zum U-Bahnbau werden über 100 Archäologen aus mehreren Ländern in den nächsten Jahren die gigantische Menge von 100.000 Kubikmetern Erdreich auf alte Funde untersuchen. Bis zu 13 Meter mächtige Fundschichten tragen sie dazu mit Pinsel und Spachtel ab – damit findet in Köln eines der größten archäologischen Projekte in der Geschichte Europas statt, realisiert von mehreren Fachfirmen unter Federführung des Römisch-Germanischen Museums.

Ausgegraben wird an sieben Baustellen. Die Arbeiten beginnen am Kurt-Hackenberg-Platz am Alter Markt. Weitere Grabungsorte sind die Pipinstraße gegenüber von St. Maria im Kapitol, an der ein römischer Tempelbezirk und Teile des Augustiner-Eremiten-Klosters für kurze Zeit freigelegt werden sollen, und die Philharmonie. Dort wird man auch auf den Grund des römischen Rheinhafens stoßen. Die Archäologen hoffen, dass sie hier Spuren finden, warum der Hafen um das Jahr 150 aufgegeben wurde. „Es gibt Hinweise – etwa an den Jahresringen von Eichen aus dieser Zeit –, dass damals über mehrere Jahre hinweg eine große Trockenheit in Europa herrschte“, sagte Hansgerd Hellenkemper, Direktor des Römisch-Germanischen Museums und Leiter der Kölner Bodendenkmalpflege. Auskunft darüber sollen Ablagerungen in Erdschichten geben. „Vielleicht finden wir auch römische Schiffe“, hofft der Grabungsdirektor und schreckt sofort zurück: „Aber deren Konservierung würde den Etat gewaltig überschreiten.“ Zwischen 12 und 14 Millionen Euro lässt sich die KVB die Grabungsarbeiten kosten.

„Geschichte Kölns lesen“

Die Verkehrsbetriebe planen bis 2010 die neue U-Bahntrasse, die vom Hauptbahnhof nach Süden die City durchschneidet. Mauern und Fundamente, die die Archäologen freilegen, werden anschließend wieder unter Asphalt und Pflastersteinen verschwinden. Das betrifft römische Gräberfelder entlang der Severinstraße, ein römisches Vorstadtviertel am Waidmarkt oder die Reste der ersten großen mittelalterlichen Stadterweiterung im 12. Jahrhundert am Katharinengraben. Unter dem Chlodwigplatz werden die Wissenschaftler auf die dicken Mauern der Bastion St. Severin stoßen.

Trotzdem wird Köln kein archäologisches Freilichtmuseum. „Es ist wichtig, dass wir die Geschichte Kölns lesen können“, erklärt Hellenkemper. Einzelne Fundobjekte werden schon im März unter anderem im Römisch-Germanischen Museum ausgestellt. Ein „U-Bahn-Baumuseum“ ist in der Nähe des Alter Markts geplant, in dem sich die Kölner laufend über den Fortgang informieren können, zudem sollen sie durch Gucklöcher in den Bauzäunen die Grabungen verfolgen können.