Bloß nicht nett werden

Senat beschließt die Eckwerte für den Haushalt 2006/2007: Bis zu 150 Millionen will Finanzsenator Sarrazin (SPD) jährlich sparen, jede zehnte Stelle im öffentlichen Dienst soll bis 2009 wegfallen

VON STEFAN ALBERTI

Senatssprecher Michael Donnermeyer machte den Eindruck, als friere ihm plötzlich das Gesicht ein. Eigentlich ließen sich die Eckwerte des neuen Landeshaushalts den Journalisten vor ihm so schön verkaufen: als strenger Sparkurs zwar, aber zum Wohle Berlins und ohne große Grausamkeiten. Wieso musste der Finanzsenator neben ihm plötzlich ungefragt das Reizthema Kitas anschneiden? Wieso sagen, seine Verwaltung werde nicht noch mal höhere Gebühren vorschlagen? Und dann hinzufügen: „Jedenfalls nicht vor der Wahl.“ SPD-Senator Thilo Sarrazin war wohl mehr um seinen Ruf besorgt als um Donnermeyers Adrenalinspiegel: „Ich wollte jetzt nicht zu wohlwollend klingen.“

Daneben hatte der Finanzsenator gestern auch noch ein paar Zahlen zu berichten, wie sie der Senat am Vormittag beschlossen hatte. Bis zu 150 Millionen Euro will er im kommenden Doppelhaushalt 2006/2007 jährlich einsparen (die taz berichtete). Das geht großenteils zu Lasten der Beschäftigten: Von derzeit 130.000 Stellen im öffentlichen Dienst soll bis 2009 jede zehnte wegfallen. Die Investitionen gehen weiter zurück, genauso wie die sonstigen Ausgaben, verwaltungsmäßig unter „konsumtive Ausgaben“ abgehandelt.

Nach Sarrazins Definition behält der Bereich Bildung durchaus Priorität beim Sparen – aber nicht über zusätzliche Ausgaben, wie sie Bildungssenator Klaus Böger (SPD) fordert. Berlin habe bereits 17 Prozent mehr Lehrer als andere Bundesländer im Schnitt, meint Sarrazin, die müsse man bloß besser verteilen. Das Argument, dass ein höherer Migrantenanteil mehr Lehrer erfordere, wies er zurück: Dieser Anteil sei in München und Stuttgart noch höher. Diese Städte kämen damit aber zurecht, und das muss laut Sarrazin auch in Berlin möglich sein. Beim Umverteilen der Lehrer will er Böger unterstützen: „Das ist für mich das Ausleben der Bildungspriorität.“

In den Investitionsausgaben – 2006 rund 1,8 Milliarden Euro, danach bis 2009 jeweils 1,6 Milliarden – sind weder Abbruch oder Sanierung des ICC noch die Sanierung des asbestversuchten Bürohochhauses Steglitzer Kreisel enthalten. Beides würde Schätzungen zufolge zusammen einen hohen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Sarrazin aber hält das ICC „noch einige Zeit“ nicht für einsturzgefährdet. Beim Kreisel neigt er offenbar dazu, das dortige Bezirksamt auszuquartieren und das Gebäude leer stehen zu lassen.

Sarrazin, der seit seinem Amtsantritt Anfang 2002 zum dritten Mal einen Doppelhaushalt vorlegt, sah Berlin auf halbem Weg zur erfolgreichen Sanierung: „Das Wandertempo stimmt. Allzu viele Pausen sollte man sich aber auch nicht mehr leisten, und mit dem Wasservorrat sollte man sorgfältig umgehen. Dann werden wir das auch schaffen.“

Die Opposition empfindet das ganz anders: Die Reaktionen auf die Eckwerte schwankten zwischen „zunehmend unseriös“ (Grüne) und „unbefriedigend“ (CDU). FDP-Fraktionschef Martin Lindner warf dem rot-roten Senat vor, es sich mit Blick auf den Wahltermin 2006 gemütlich machen zu wollen. Er sieht bei Sarrazin eine „Abkehr vom Sparkurs“: „Kaum ist der Finanzsenator 60 Jahre alt geworden, da erlahmt auch schon sein Ehrgeiz.“ Die in jeder Hinsicht viel versprechende Kita-Äußerung Sarrazins hatte er da offenbar noch nicht gehört.