strafplanet erde: namen sind schall und chantal von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Der Ignoranz des akademischen Establishments war ich stets mit provozierender Gelassenheit begegnet. Vulgo: Die konnten mich mal. Zugegeben, die Missachtung meiner Dissertation war dem Thema und Titel geschuldet. An einer philosophischen Fakultät über den „erkenntnistheoretischen Aspekt der dysfunktionalen Körperregionen in der sokratischen Hebammenkunst platonischer Provenienz“ zu promovieren, damit sorgt man für Irritationen. Oder war’s nicht kompliziert genug? Zu kompliziert? Zu viele Fremdwörter? I wo. Wenn der TV-Werbespot für ein Joghurt namens Activia mit einer „speziellen Bifiduskultur“ namens „Digestivum essensis“ protzt, dann hätte mein umständlicher Approach doch wohl auch erlaubt sein müssen. Doch die Fachwelt gab sich blind, taub und stumm.

Gleichviel, nach Jahrzehnten der Isolation erhielt ich endlich die Einladung zu einem Kongress. Dass die Vereinigung der Hebammen und Geburtshelferinnen, Bezirk Nordost, Veranstalterin war, tat meiner Genugtuung keinen Abbruch. Dass sich die wahrhaft interessanten Gespräche in der Käffchen- und Piccolopause ergeben würden, damit hatte ich gerechnet. Und wurde nicht enttäuscht.

Speziell der spontane Wettstreit um den kuriosesten Kindsnamen, dem die Damen im Laufe ihres Berufslebens begegnet waren, entwickelte eine mirakulöse Dynamik. Schwester Susanne hatte einem später Mela-Minerva benannten Baby geholfen, das Licht der Welt zu erblicken, und konnte außerdem mit einer Jaqueline-Chantal Cheyenne aufwarten. Und wie die Oma sich gefreut habe: Das sei ja herrlich, „die fangen ja alle mit ‚Sch‘ an“.

Hildegard setzte den Schlagabtausch fort mit einer Kimberley Cheyenne Joyce, einem Dreiklang, den die Eltern beim Betrachten amerikanischer Teenie-Serien aufgeschnappt hätten, Sigrid legte einen Damien Josef nach, den die Mutter der Einfachheit halber DJ nenne.

Tja, Film und Fernsehen richteten offenbar größeren Schaden an. Ein Elternpaar, sagte Annemarie, habe sie gleich nach der Entbindung um Rat gebeten: „Der soll so heißen wie der Schauspieler von dem Frodo.“ Nur wussten sie nicht, wie Elijah geschrieben noch wie es gesprochen wird (Eleia, Elia, Eleischa?).

Mir schoss ein Gedanke – wirklich nur einer! – durch den Kopf: Artet das hier etwa zum Unterschichten-Bashing aus? Und war sofort verflogen, als Steffi eine Kimberly-Pocahontas im Angebot hatte, eine Jade Coco, einen Oktav sowie eine Kaylani Janine, weil der Papa so gern surft. Die dazugehörigen Nachnamen lauteten stets wie Müllermeyerschmidt, genauso bei den Geschwistern, die der Reihe nach Maja, Thore, Samanta, Rambo, Angel, Xena und Jason hießen: „Und im April kommt Dragon.“

Mein Schierlingsbecher war fast leer, sofern diese – in aller Bescheidenheit – genial anspielende Überleitung gestattet ist. Ich beschloss, meinen Vortragstext zu ändern, und improvisierte. Im Nu war es offenkundig, dass ich den größten Skandal in der Geschichte der Hebammenvereinigung provozieren würde. Erschöpft, aber zufrieden kehrte ich nach Hause zurück zu meiner Frau Scarlett und unseren gemeinsamen Kindern Angelus Gwydion, Hugh Humbert und Salome Sidney.