Konjunktur in Deutschland überrascht negativ

Die Wirtschaft schrumpft schon wieder. Experten glauben aber an mehr Optimismus in den Unternehmen

BERLIN taz/dpa/rtr ■ Die deutsche Wirtschaft ist zum Jahresende 2004 wegen der schwachen Binnennachfrage zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt – die Summe aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen – sank im vierten Quartal um 0,2 Prozent. Auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen war geringer als in den drei vorherigen Monaten. Im Gesamtjahr 2004 legte das BIP nach neuen Berechnungen daher real nur um 1,6 Prozent zu – 0,1 Prozentpunkte weniger als zunächst geschätzt, hieß es gestern beim Statistischen Bundesamt.

Den revidierten Ergebnissen zufolge kam das Wachstum bereits im dritten Quartal 2004 zum Erliegen. Es stagnierte, nachdem die Statistiker zunächst ein minimales Wachstum von 0,1 Prozent ermittelt hatten. Mit dem schwachen Jahresende hat sich die Ausgangslage für 2005 verschlechtert. Die ersten Volkswirte senkten denn auch ihre Wachstumsprognosen für 2005 auf 0,8 Prozent. Dagegen bleibt die Bundesregierung optimistisch bei 1,6 Prozent Plus – das wäre genauso viel wie 2004.

Seit vier Jahren macht die Konsumzurückhaltung der Wirtschaft bereits zu schaffen – zwei Drittel der Wirtschaftsleistung entfallen auf den Verbrauch der privaten Haushalte. „Das ist eine Frage der Psychologie“, sagt der Chefvolkswirt der Deka-Bank, Ulrich Kater. Für eine Konjunkturerholung spreche, dass die Inflation sich in den kommenden Monaten verlangsamen dürfte, was den Verbrauchern real mehr im Portemonnaie lasse.

Finanzanalysten, die das Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW für seinen monatlichen Konjunkturindikator befragte, gehen davon aus, dass die Unternehmen 2005 ihren Dauerpessimismus aufgeben und mehr investieren. Mit Kostensenkungen und Lohnkürzungen haben viele Firmen zuletzt ihre Gewinne gesteigert und haben nun genug Geld in den Kassen – das schaffe Investitionsanreize. Auch habe sich der Auftragseingang stabilisiert.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) dringt unterdessen weiter auf Eile bei der Ausarbeitung einer Reform der Unternehmensbesteuerung. Regierung und Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprächen bereits über den Vorschlag von BDI-Präsident Jürgen Thumann, erklärte Clement. Thumann hatte angeregt, einbehaltene Unternehmensgewinne, die für arbeitsplatzschaffende Investitionen verwendet werden, steuerlich gegenüber ausgeschütteten Gewinnen zu begünstigen. Der Vorschlag werde auch mit den Gewerkschaften erörtert. Finanzminister Hans Eichel hatte die Auffassung vertreten, die Reform sei frühestens 2007 machbar. REM