Arbeitgeber halten Jugend für zu dumm

Laut Dieter Hundt sind mindestens zehn Prozent der Jugendlichen nicht ausbildungsreif und könnten nur schwer durch den Ausbildungspakt vermittelt werden. Die Gewerkschaften zweifeln an den Zahlenspielen des Arbeitgeberchefs

BERLIN taz ■ Nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sind zahlreiche Schulabgänger in Deutschland nicht ausbildungsfähig. „Die ungenügende Ausbildungsreife ist nach wie vor ein großes Problem“, sagte Hundt gestern nach einer Sitzung der Partner des Ausbildungspaktes, der zwischen Regierung und Wirtschaft im Juni 2004 geschlossen wurde. „Schulabgänger haben in zunehmender Weise nicht das erforderliche Rüstzeug für die Arbeitswelt.“

Laut Hundt verlassen rund 10 Prozent aller Jugendlichen die Schule ohne Abschluss. Im Rahmen der Pisa-Studie seien außerdem 25 Prozent der SchülerInnen als Risikogruppe im Hinblick auf ihren beruflichen Erfolg eingestuft worden, sagte Hundt. Im Klartext soll das heißen: Wenn nicht alle Bewerber vermittelt werden können, liegt das an diesen Bewerbern selbst. Hundt wertete den Ausbildungspakt folglich auch als Erfolg: „Erstmals seit fünf Jahren gibt es wieder mehr Ausbildungsplätze als im Vorjahr.“

Volker Scharlowsky vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die Bilanz des Arbeitgeberpräsidenten eher skeptisch: „Von allen Jugendlichen, die einen betrieblichen Ausbildungsplatz suchen, finden in der Regel weniger als die Hälfte eine Stelle.“ Zusammen mit den Altbewerbern, die schon im letzten Jahr keine Lehrstelle gefunden haben, würden so mehrere hunderttausend Jugendliche keinen Ausbildungsplatz bekommen, sagte Scharlowsky.

So gesehen seien die Aussagen über die mangelnde Ausbildungsreife der Bewerber mit Vorsicht zu genießen: „Die Zahlen, die von Seiten der Ausbildungspakt-Partner kommen, bestreiten wir“, sagte Scharlowsky. „Wie viele Jugendliche tatsächlich nicht ausbildungsreif sind, kann keiner zuverlässig einschätzen.“ Es sei aber verdächtig, dass die von Hundt genannte Zahl ziemlich genau mit der vom DGB ermittelten Zahl der fehlenden Lehrstellen übereinstimme. „Der Ausbildungspakt sorgt nicht dafür, dass alle Jugendliche ein Lehrstelle finden.“ Industrie und Handwerk seien jetzt gefordert, mehr betriebliche Ausbildungsplätze zu stellen, sagte Scharlowsky.

Nach Darstellung von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) ist die Lücke zwischen Angeboten und Bewerbern dagegen „mehr als geschlossen“. 4.200 offenen Ausbildungsplätzen und 15.500 nicht genutzten Einstiegsqualifikationen stünden 12.000 nicht versorgte Jugendliche gegenüber. Alle Zusagen seien zum großen Teil übererfüllt worden. Die Zahl der unversorgten Jugendlichen habe den niedrigsten Stand seit fünf Jahren erreicht. Auch dieses Jahr würden wieder 30.000 neue Ausbildungsplätze und 25.000 so genannte Einstiegsqualifikationen angeboten. „Rein rechnerisch haben wir für jeden Jugendlichen einen Platz“, sagte Clement. Angesichts steigender Bewerberzahlen sei die Herausforderung für 2005 entsprechend groß, ein ähnlich gutes Ergebnis zu präsentieren.

Um die Jugendlichen besser auf die Arbeitswelt vorzubereiten, soll in diesem Jahr eine stärkere Zusammenarbeit mit den Schulen angestrebt werden. „Wir müssen verhindern, dass die Jugendlichen von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit rutschen“, sagte Hundt. PHILIPP DUDEK