Datenschutz hat keine Lobby

Gestern stellte die Landesdatenschutzbeauftragte Bettina Sokol ihren Jahresbericht zu Datenschutz in NRW vor. Sie sprach sich gegen eine Ausweitung der DNS-Analysen aus

AUS DÜSSELDORFELMAR KOK

Die Landesdatenschutzbeauftragte Nordrhein-Westfalens hat es schwer. Bettina Sokol klagt über Datensammelwut von Behörden und Firmen, die Zuwächse an gespeicherten Daten und mag trotzdem nicht mehr Geld für ihre Behörde fordern. „Das ist angesichts der Haushaltslage des Landes illusorisch“, sagt sie. Gestern stellte NRWs oberste Datenwächterin ihren Bericht zu Datenschutz und Informationsfreiheit vor. Im Fokus der Kritik: Das NRW-Justizministerium.

Prominentester Fall des Anstoßes im vergangenen Jahr ist ein Verfahren um den Schutz von Telefonverbindungsdaten. Im beanstandeten Fall waren Daten über die von einem Journalisten geführten Telefonate mit einem Ministerium an die Ermittler weiter gegeben worden. Um an die Daten zu kommen, hatten sich die Ermittler mit Rückendeckung des Justizministeriums lediglich auf die Ermittlungsgeneralklausel berufen. Rechtlich korrekt wäre es gewesen, wenn die Ermittler zuvor eine richterliche Anordnung erwirkt hätten.

Auch die Ausweitung der DNS-Analysen ist Sokol ein Dorn im Auge. Per Erlass hatten Justiz- und Innenministerium DNS-Analytik erlaubt, sollten Verdächtige der Erhebung ihrer Gen-Daten freiwillig zustimmen. Sokol spricht in diesem Fall davon, dass „tatsächliche Freiwilligkeit aufgrund des herrschenden sozialen Drucks nicht gewährleistet ist“. Dass die weitergehende Forderung der SPD unter ihrem Ministerpräsidenten Peer Steinbrück nach einer Gleichsetzung der DNS-Merkmale mit dem Fingerabdruck in Deutschland möglich ist, sei fragwürdig. „Ich halte es durchaus für möglich, dass das Bundesverfassungsgericht dem letztlich einen Riegel vorschiebt“, sagt Sokol.

Der Handlungsspielraum für die Datenschutzbeauftragte, auf die Politik einzuwirken, ist allerdings begrenzt. „Ich habe nur die Kraft des Arguments“, sagt Sokol. Wichtig sei, dass schon die Presse den Staatsanwaltschaften auf die Finger sehe und dass die Öffentlichkeit über die tatsächliche Situation aufgeklärt werde. „Es geht darum, die gefühlte Lage der gegebenen Lage anzupassen“, sagt Sokol und verweist dabei auf eine Studie von Christian Pfeiffer, ehemaliger Justizminister des Landes Niedersachsen und jetziger Leiter des unabhängigen Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens. Pfeiffer wird die Ergebnisse Anfang März in der FAZ vorstellen und kommt in seinem Aufsatz „Das Böse, die Medien und wir“ zu bemerkenswerten Ergebnissen. Beispielsweise zeigen die Ergebnisse einer Befragung von 2.000 Personen, dass der Durchschnitt der repräsentativ zusammengesetzten Personengruppe glaube, im Jahr 2002 seien 208 Sexualmorde geschehen. Tatsächlich wurden vor drei Jahren elf Personen aus sexuellen Motiven ermordet.

Datenschutz, sagt Sokol, sei nicht nur eine Frage des Rechtsempfindens, sondern auch eine Frage nach der Mentalität innerhalb der Gesellschaft: „Man muss sich fragen, wie wollen wir Leben?“ Momentan herrsche in der Gesellschaft ein Klima des Misstrauens, sagt Sokol. Und bekam ihre Feststellung gleich selbst zu spüren. Warum sie denn so vehement gegen die DNS-Datenspeicherung bei Kleindelikten sei, wo doch erwiesen sei, dass Sexualstraftäter zuvor meist andere Straftaten begingen hätten, wurde sie bei der Vorstellung ihres Berichts von den Journalisten gefragt. Nicht jeder, der sich in einer Kneipe prügele, werde Sexualstraftäter, sagt Sokol. Zudem sei noch gar nicht bekannt, was mit den gewonnenen Daten in Zukunft möglich sei. Die Feststellung der Zugehörigkeit zu bestimmten Ethnien und Altersgruppen sei schon jetzt mit dem entnommenen, nicht codierten Material möglich, bloß noch nicht erlaubt. Sie wolle den Behörden nichts unterstellen, sagt Sokol, aber auf jeden Fall erhöhe sich dadurch das Missbrauchspotenzial.

Wenigstens eine positive Meldung hat Sokol für das Jahr 2004 aber doch noch: Das Informationsfreiheitsgesetz habe sich bewährt, sagt sie. Anträge auf Zugang zu Informationen bei den Verwaltungen des Landes seien zum größten Teil reibungslos bearbeitet worden, „das Informationsfreiheitsgesetz hat sich in vielen Fällen bewährt“.