Mit Straßenfesten ins Quartier

Durch drei öffentliche Plattformen sollten der Bewerbung des Ruhrgebiets zur Kulturhauptstadt Europas neue Impulse gegeben werden. Die Künstler schielten lieber auf mögliche Fördertöpfe

VON PETER ORTMANN

Nur wenn das kulturelle Bewusstsein der Menschen einer Region nachhaltig verändert wird, habe die Idee einer Europäischen Kulturhauptstadt einen Sinn. Das sagt der Österreicher Peter Oswald, seit der Jahrtausendwende Intendant des steirischen herbst – das ist Plattform für interdisziplinäre Kulturforschung in Graz – und das war die Kulturhauptstadt Europas 2003: Und nach dem teuren Rausch kam dort der große Kater.

Das sei ein Fehler, der dem Ruhrgebiet erspart werden sollte, denn „eigentlich ist dies die einzige Bewerbung, die es Wert ist zu gewinnen“, sagte Oswald in seinem Impuls-Referat beim Themenforum „Stadt der Künste“. Das wurde im Landschaftspark Duisburg vom Bewerbungsbüro Kulturhauptstadt beim Regionalverband Ruhr (RVR) und der Stadt Essen ausgerichtet und war nach Stadt der Möglichkeiten“ und „Stadt der Kulturen“ das Abschlussforum, nach dem eigentlich bereits jetzt die Qualität der regionalen Projekte für 2010 lokalisiert werden sollte. „Das Ruhrgebiet ist eine einzigartige Kulturlandschaft“, sagtauch Matthias Lilienthal. Der Intendant des Berliner Theaters Hebbel am Ufer weiß, wovon er spricht. Er war 2002 Programmdirektor für das NRW-Festival „Theater der Welt“, das auch in Duisburg und Düsseldorf Programme etabliert hatte. Gerade das Theaterprojekt „X-Wohnungen“ habe damals auf einfache Weise Kultur in einen Duisburger Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf gebracht, indem die Stücke in den privaten Wohnungen inszeniert waren. Es dürfe im Ruhrgebiet eben nicht dabei bleiben, „Glamourprodukte in Carepaketen“ abzuwerfen, so Lilienthal.

„Wir brauchen die Europäische Kulturhauptstadt 2010 um selber Stadt zu werden“, sagt Jürgen Fischer vom RVR. Er glaubt, dass ein kultureller Aufbruch im Ruhrgebiet nicht mehr aufzuhalten ist. „Jetzt ist der Geist aus der Flasche“, sagt Fischer.

Das sehen die anwesenden Kulturschaffenden in der für viel Geld umgebauten Gebläsehalle im Duisburger Landschaftspark natürlich anders. Ihre Sorge gilt in erster Linie den eventuell zu vergebenen Fördertöpfen. Und so scharten sie sich bei den Diskussionsgruppen auch lieber in Dreierreihen um die Themen „Partizipation“ und „Netze“, denn um den Leiter der Stadtbibliothek Duisburg. Olaf Reifegerste hatte vor drei Besuchern nur die Theorie einer „(Re)Kultivierung der Industriekultur“ anzubieten. Auch das überaus interessante Referat von Matt Adams über virtuelle Konzepte für die Stadt/Region stieß nur bei Insidern auf Gegenliebe. Der Künstler und Mitbegründer von Blast Theory, einer weltweit operierenden Künstlergruppe, stellte ein Internet-Konzept als mögliche digitale Verbindung zwischen den Menschen im polyzentrischen Ruhrgebiet vor. So musste Söke Dinkla, Leiterin der in diesem Jahr ausgefallenen Akzente in Duisburg und Organisatorin des künstlerischen Themenforums am Schluss auch eher drittklassige Ergebnisse, denn zukunftsweisende Ideen verkünden. Selbst organisierte Stadtteilfeste quer durch die Region, wobei der Begriff Stadtteil lediglich durch den des Quartiers ersetzt wurde, haben sicher nicht die Qualität, die die Bewertungsjury am Sonntag zu einem positiven Ergebnis für das Ruhrgebiet pushen würde.

Am Schluss des Forumreigens, der bei einer Veranstaltung der Off-Szene in Herne von Essens Kulturdezernenten Oliver Scheytt angekündigt wurde, war auch die wichtigste Frage: Wie geht es weiter? Verlangt wurden von vielen Teilnehmern neue Foren und natürlich die Adresse, wo die Teilnahmebedingungen für die Jagd auf die möglichen Fördertöpfe mit Blick auf 2010 abgerufen werden können.