Korrigierte Version

Im Prozess um Todesschuss auf Einbrecher: Polizist machte entgegen aller Vorschriften allein Jagd auf Täter

Eltern, Schwester und Ehefrau sind extra aus Holland angereist, um dem Prozess um den Tod von Julio V. (25) als Nebenkläger beizuwohnen. Er war Heiligabend 2002 nach einem Einbruch durch einen Schuss in den Rücken getötet worden. Der beschuldigte Oberkommissar Wolfgang Sch. (42) verhält sich einem Polizisten getreu. Er verweist auf seine protokollierte Aussage und wollte gestern dem Gericht „keine Nachfragen beantworten“.

In dieser Aussage hatte Sch. seine ursprüngliche Version, im Treppenhaus angegriffen worden zu sein, zwei Monate später korrigiert. Vielmehr habe er nach seinem Eintreffen im Treppenhaus eine dunkle Person gesehen. „Ich bin der Meinung eine Schusswaffe wahrgenommen zu haben.“ Als diese und eine weitere Person aus dem Fenster des 1. Stocks flohen, habe er sie verfolgen wollen. Er habe sich aus dem Fenster gebeugt und im dunklen Hof eine weiße und eine schwarze Person gesehen. Die schwarze habe sich umgedreht und auf ihn gezielt, dann sei das Licht im Flur angegangen, er habe sich „als Zielscheibe“ gefühlt – und geschossen.

Da es zurzeit keine verfügbaren Tatzeugen gibt, bemüht sich Amtsrichterin Reitzig um Detailklärung. War es möglich im dunklen Hof etwas zu sehen? Wer hat das Licht angemacht, wenn Kollege Jens van H. gar nicht den Flur betreten hat? Und warum hatte Sch. voreilig allein das Haus betreten? „Das sich einer vom anderen trennt, ist unüblich“, gesteht H. ein.

Für Nebenklagevertreter Manfred Getzmann „passt alles nicht zusammen“. Vor allem der Schusskanal belege, dass das Opfer in der Hocke war, als es getroffen wurde. Julio V., der unweit vom Tatort verblutet aufgefunden wurde, trug eine schwarze Jacke, war aber unbewaffnet. Getzmann schließt nicht aus, dass im Verfahren aus „fahrlässiger“ noch „vorsätzliche Tötung“ werde. Kai von Appen