MEDIENLOS
: Klappe halten

Eine minimale Auszeit nehmen

Nachrichten verbreiten sich immer schneller. Hieß es noch vor einigen Jahren: „Wenn wir vor Sonnenaufgang losreiten, sind wir vor der Postkutsche in Saloon City, und niemand erfährt, dass wir den alten Joe umgebracht haben!“, so dauert es jetzt nur noch den bekannten Mausklick, und jeder weiß alles. Doch auch der sogenannte Buschfunk führt zur Informationsflut. Verschwiegenheit war einmal, Wissen ist Macht und Diskretion eine immer seltener anzutreffende Tugend. Schon deshalb lohnt es sich, Dinge für sich zu behalten, gute Ideen bloß nicht zu verraten und im Zweifelsfall die Klappe zu halten.

So etwas funktioniert am besten, wenn man sich der menschlichen Masse gar nicht erst aussetzt. Karl Lagerfeld brachte es einst auf den Punkt mit der Bemerkung: „Ich bin zwar relativ wortgewandt, aber wenn ich alleine bin, benötige ich dieses Talent so gut wie gar nicht!“ Dieser Satz brachte mich auf die Idee: Ich beschloss, drei Tage niemanden zu sehen, kein Internet und kein Telefon. Weder aus einer Depression noch aus reiner Menschenfeindlichkeit heraus, sondern einfach aus Interesse. Ich zog weder schwarze Vorhänge zu, noch hörte ich den ganzen Tag Cure. Ich wollte nur eine im Vergleich zur durchschnittlichen Lebensdauer minimale Auszeit nehmen, um herauszufinden, was der gewöhnliche Einsiedler so erstrebenswert an seinem Dasein findet.

Als ich am vierten Tag sämtliche Geräte wieder einschaltete und vor die Tür ging, erwartete mich eine Flut von verzweifelten Nachrichten, fragwürdigen Drohungen und eindringlichen Aufrufen, sodass ich mir schwor, die ohnehin schon enorme Datenflut, die mich tagtäglich erwartet, nie wieder zu komprimieren. Es dauerte geschlagene zwei Tage, bis mein Umfeld sich wieder an mich gewöhnt hatte. Einige der Bekannten fremdeln bis heute. JURI STERNBURG