LESERINNENBRIEFE
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■ betr.: „Hände hoch! Das ist ein Bildungsüberfall“, taz vom 19. 6. 09

Stupende Inkompetenz der Kultuspolitik

Wenn ich als jemand, der den weit überwiegenden Teil seines langen Lebens in Schulen verbracht und die schulpolitische Entwicklung in Deutschland seit den dreißiger Jahren aufmerksam beobachtet und (in den siebziger bis neunziger Jahren) in bescheidenem Umfang auch mitgestaltet hat, heute ein Fazit ziehen sollte, dann würde es lauten: „So weit an unserem Schulwesen Unzulänglichkeiten zu beklagen sind, sind die Gründe und Ursachen dafür nicht bei den Schulen und Lehrern zu suchen, sondern vor allem in der stupenden Inkompetenz der Kultuspolitik und Kultusbürokratie.“

Und so halte ich auch die gegenwärtigen Proteste der jungen Menschen nicht nur für völlig berechtigt, sondern auch für längst überfällig. Und wenn es wahr ist, was man die Bundesministerin für Bildung im Rundfunk sagen hörte, dass nämlich gewisse Entscheidungen „alternativlos“ sind, weil wir in die gesamteuropäische Bildungslandschaft eingebunden sind und uns darein zu fügen haben, dann ist nicht den jungen Menschen, die gegen die negativen Folgen dieser Abhängigkeit protestieren, ein Vorwurf zu machen, sondern der Kultuspolitik, die es zugelassen hat, dass wir in eine solche Lage und in solche Abhängigkeit geraten sind. Jedenfalls genießen die jungen Menschen, die heute auf die Straßen gegangen sind, meine volle Sympathie, und ich hoffe, es wird ihnen gelingen, möglichst viele der in jüngster Zeit getroffenen verhängnisvollen Entscheidungen wieder rückgängig zu machen. ULRICH UFFRECHT, Buxtehude

■ betr.: „Frauen sollen keine Sonder-fälle mehr sein“, taz vom 15. 6. 09

Frauen

Dass Frauen für Arzneimittelstudien „schwierige Probanden“ seien, weil sie ihren Zyklus bekommen und die „Ergebnisse verfälschen“ oder gar schwanger werden und die Folgen für die Föten und Neugeborenen unabsehbar sein könnten, bis hin zu Schadensersatzforderungen für Missbildungen, und man sie daher lieber nicht in die Studien einbezieht – das haben sich offenbar schon die Entwickler von Contergan gedacht. Da ist es ermutigend, dass schon nach einem halben Jahrhundert die Erkenntnis, dass Medikamente bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken, sich im Arzneimittelgesetz niederschlägt. GERHARD RUDOLF, Bad Homburg

■ betr.: „Alles Krise. Und was jetzt?“, Workshop-Beilage, taz vom 15. 6. 09

Freundinnen

Die These, die Verwendung ausschließlich der weiblichen Form schließe alle Menschen ein und verdeutliche Geschlechtergerechtigkeit, ist kaum nachvollziehbar. Sind ab sofort alle meine Mitmenschen meine Freundinnen, gleich welchen Geschlechts sie sind? Man mag ja der Meinung sein, die Verwendung der männlichen Form stelle eine Form der Ungerechtigkeit dar. Diese jedoch mit der Ungerechtigkeit der Verkehrung ins Gegenteil auszumerzen, kann man wohl nur als Schnapsidee bezeichnen: das ist „den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“. Schade, denn sonst sind die Seiten wirklich gut gelungen. ANDREAS PITTROF, Erlangen

■ betr.: „Stoppschild im Internet“, taz vom 19. 6. 09

Türöffner zu weiter gehender Zensur

Offensichtlich hatte der Bundestag es eilig, das Gesetz zur Internetsperre in Fällen von Kinderpornografie durchzupauken. Das Thema Kinderpornografie stellt den Türöffner zur weiter gehenden Zensur des Netzes dar, da bei der Bevölkerung allgemeiner Konsens über die Abscheulichkeit dieses Bildmaterials besteht. Nicht das Medium Internet, auch diverses Printmaterial, unter der Ladentheke verhökert, ist das Problem. Eine allgemeine Ächtung dieses Handelns sowie empfindliche Strafen wären entscheidend wirksamer, um Kindesmissbrauch einzudämmen.

Ist erst einmal die Software zur Internetzensur flächendeckend eingeführt, lässt sie sich auch für weiter gehende Zensur anpassen. UWE MARX, München