Fischer lässt die Sprecher schweigen

In der Visa-Affäre hat die Regierung eine neue Taktik entdeckt: Sie antwortet einfach nicht mehr. So bleibt ungeklärt, wann der Außenminister von Missständen erfuhr. Die CDU will es Rot-Grün überlassen, wann Fischer im Untersuchungsausschuss auftritt

VON LUKAS WALLRAFF

Seit wann wusste Joschka Fischer persönlich vom Missbrauch deutscher Reisedokumente durch Schleuser und Menschenhändler? Diese Frage, die Fischer am Dienstag selbst zur „zentralen Frage“ des Visa-Untersuchungsausschusses im Bundestag erklärte, stellt sich nun noch drängender, nachdem gestern weitere neue Details über die interne Kommunikation im Außenministerium bekannt geworden sind. CDU und CSU bekräftigten erneut ihre Vorwürfe gegen Fischer und verwiesen darauf, mehrere ihrer Landesminister hätten den Außenminister schon im Jahr 2000 vor den Folgen seines Erlasses gewarnt, der die deutschen Botschaften weltweit anwies, bei der Visumvergabe künftig „im Zweifel für die Reisefreiheit“ zu entscheiden.

Der Untersuchungsausschuss trifft sich heute zu seiner ersten öffentlichen Sitzung. Neben der Befragung von drei Sachverständigen geht es vor allem um den Zeitplan der weiteren Zeugeneinvernahme und dabei vor allem um eines: Wann sagt Fischer aus? Von der Union kamen dazu unterschiedliche Signale. Während CDU-Chefin Angela Merkel auf eine zügige Vernehmung Fischers drängte, hielt sich CDU-Ausschussobmann Eckart von Klaeden zurück. „Die Frage der Terminierung hängt von Rot-Grün ab“, sagte von Klaeden der taz. Fischer könne, wenn er seinen Wunsch nach einer baldigen Befragung ernst gemeint habe, „so früh wie möglich kommen, soweit es die Beweislage zulässt“.

Fischers Sprecher Walter Lindner und der Sprecher von Innenminister Otto Schily lehnten bei der üblichen Befragung in der Bundespressekonferenz gestern weitere Auskünfte dazu ab, wer in der Regierung wann mit wem über die Visaproblematik sprach. „Wir wollen keine Duplizierung des Untersuchungsausschusses hier in der Bundespressekonferenz machen“, sagte Lindner. Schilys Sprecher erklärte, dies ergebe sich aus dem Verfassungsrang des Bundestages, der in diesem Fall höher zu bewerten sei als die Informationspflicht gegenüber Journalisten.

Nach der bisherigen Darstellung des Auswärtigen Amts erfuhr Fischer im März 2003 vom Missbrauch des so genannten Reiseschutzpass-Verfahrens, das vor allem in Kiew zeitweise zu einer starken Zunahme der bewilligten Visumanträge geführt hatte, weil privat verkaufte Reiseschutzpässe genügten, um ein Visum zu bekommen. Daraufhin habe er verfügt, dass das Problem weltweit abgestellt wurde.

Inzwischen ist klar, dass alle Spitzenpolitiker des Auswärtigen Amtes außer Fischer spätestens im August 2002 über die Probleme bei der Visavergabe informiert waren. Damals sprach der zuständige Referatsleiter Wolfgang Manig mit Staatssekretär Jürgen Chrobog sowie den Staatsministern Ludger Volmer (Grüne) und Christoph Zöpel (SPD) über Missstände bei der Visavergabe. Etwa zeitgleich erhielt wohl auch Fischers Büro einen Bericht. Dies bedeute aber nicht, dass Fischer persönlich über den Vorgang informiert wurde, sagte sein Sprecher dem Handelsblatt.

Die Grünen zeigten sich von diesen Berichten nicht sonderlich beeindruckt. Schließlich, hieß es, habe der Referatsleiter Manig bereits im Juni 2002 „den wichtigsten Missstand in Kiew beseitigt“, indem er die deutsche Botschaft in der Ukraine anwies, keine Reiseschutzpässe der zwielichtigen Firma Kübler mehr zu akzeptieren. „Daraufhin ist eine Entlastung in Kiew eingetreten“, räumte gestern auch CDU-Obmann von Klaeden ein. Trotzdem sei Fischer vorzuhalten, dass er – angeblich – erst im März 2003 selbst eingriff und die Reiseschutzpassverfahren weltweit abschaffte. In der Zwischenzeit sei es „auch in anderen Botschaften zu Problemen gekommen“.