„Flüchtige Literatur“

Liederbuch von 1680 neu verlegt

■ ist Ansprechpartner für den Bereich Bremensien und Regionalia in der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen. Abb.: Archiv

taz: Herr Elsmann, die Universitätsbibliothek hat ein uraltes Liederbuch reproduziert. Was ist das für ein Buch?

Thomas Elsmann: Das Werk beinhaltet 57 Lieder und Melodien von Joachim Neander, einem Kirchenliederdichter des 17. Jahrhunderts. Neander war gebürtiger Bremer und Hilfsprediger an der St. Martini-Kirche. Sein Werk war ursprünglich nicht als Kirchengesangbuch gedacht, sondern als Buch für den Privatgebrauch. Zu Neanders Zeit hatte man ein sehr persönliches Verhältnis zum Glauben.

Und das macht Neanders Lieder so besonders?

Ja, zu seiner Zeit existierte die Vorstellung, dass der Glaube an Gott etwas sehr Schönes, Fröhliches sei und nicht so etwas Bierernstes. Deshalb sind Neanders Lieder auch alle sehr heiter, das macht das Buch so faszinierend. Es ist das einzige Werk von Joachim Neander – er wurde nur dreißig Jahre alt.

Wie kam das Originalwerk in die Unibibliothek?

Das war reines Glück. Wir kauften das Buch 1953 zufällig für fünf Mark. Es ist erstaunlich, dass dieses Exemplar überhaupt noch existierte, denn Liederbücher gehörten zur flüchtigen Literatur, so wie Schulbücher oder Kochbücher heute. Das Originalexemplar, das sich in der Universitätsbibliothek befindet, ist jedenfalls das einzige Exemplar, das von der ersten Auflage von 1680 übrig geblieben ist.

Neanders Dankchoral „Lobet den Herren“ erklingt mehrmals täglich von der Martinikirche. Warum ist dieses Lied so berühmt geworden?

„Lobet den Herren“ hat eine sehr eingängige Melodie, außerdem wurde es von Johann Sebastian Bach vertont. Aufgrund des Obrigkeitsverständnisses passte das Lied im 19. Jahrhundert zudem gut in den deutschen Protestantismus des Kaiserreichs – dort verdrehte man gerne den Sinnzusammenhang des Werks. Joachim Neander hat das sicherlich nicht so gemeint. INTERVIEW: GESA KOCH-WESER

Das Buch „Glaub- und Liebesübung“ ist beim Carl Schünemann Verlag erschienen. Die Präsentation findet um 17.30 Uhr in der Universitätsbibliothek statt.