Anerkennung wider Willen

ZEUGEN JEHOVAS Der Bremer Senat hat ein Gesetz zur rechtlichen Gleichstellung der Zeugen Jehovas mit den großen Kirchen vorgelegt. Juristisch berufen sich die Zeugen auf höchstrichterliche Urteile

■ Michaela Ahlers stieg 2005 nach 40 Jahren bei den ZJ aus. Immer wieder musste sie sich vor einem Komitee für angebliche Verfehlungen bei der Kindererziehung offenbaren. „Da kamen die intimsten Fragen.“ Auch beim Predigtdienst, den Hausbesuchen mit „Wachtturm“, werde Druck ausgeübt.

■ Ahlers engagiert sie sich beim Regionalbüro Nord des „Netzwerks Sektenausstieg“. „Viele sind nach dem Ausstieg total isoliert“, sagt sie. Laut ZJ-Sprecher Glockentin steigen jährlich Hunderte aus.

■ Sie probierte erst den „schleichenden Ausstieg“ und blieb ZJ-Treffen fern. „Das wurde nicht akzeptiert.“ Bis sie einen „starken Schnitt“ machte und ihren Austritt mithilfe eines Notars schriftlich erklärte. Berichte von Schwierigkeiten beim Ausstieg sind für ZJ-Sprecher Glockentin „abenteuerliche Geschichten“. THA

Die Zeugen Jehovas (ZJ) sollen mit den großen Kirchen rechtlich gleichgestellt werden. Das sieht ein Gesetzentwurf des Senats vor. Die Bürgerschaft entscheidet über die Verleihung des Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach der Sommerpause.

Hintergrund ist ein 15 Jahre dauernder Rechtsstreit der ZJ in Berlin, der bis zum Bundesverfassungsgericht ging. Der Berliner Senat unterlag 2006 und musste den ZJ, die bundesweit nach eigenen Angaben 200.000 Mitglieder zählen, als erstes Bundesland den Körperschaftsstatus verleihen. Die beantragten ihn daraufhin auch in den anderen Ländern. Die meisten folgten dem Antrag bereits. Offen ist die Anerkennung noch in fünf Ländern. In Bremen berufen sich die ZJ auf rund 2.000 Mitglieder.

„Erfreut sind wir nicht“, sagt der religionspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Frank Willmann. „Letztlich sind wir aber gezwungen.“ Schließlich seien die rechtlichen Aspekte im Streit mit Berlin geprüft worden. „Mit einer Aufwertung hat das nichts zu tun“, sagt Willmann.

Anders sieht das Elisabeth Motschmann, kirchenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. „Wir tun uns schwer damit“, sagt sie. „Man würde den ZJ die gleichen Rechte wie der katholischen und evangelischen Kirche einräumen.“ Einfach durchwinken werde die CDU den Gesetzesantrag nicht, so Motschmann. Denn sie macht neben der juristischen eine „inhaltlich-politische Seite“ der Anerkennung aus: Sie habe nicht nur Zweifel an der Toleranzfähigkeit der ZJ gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen, auch an ihrer Staatsloyalität. So lehnen die ZJ die Teilnahme an Wahlen, am Militär- wie auch am Zivildienst ab. „Mittlerweile stellt man dem Einzelnen die Entscheidung zwar frei“, sagt Motschmann. „Die Frage ist aber, ob es sich dabei um einen inneren Wandel der ZJ handelt, oder ob man nur vorsichtiger in den öffentlichen Verlautbarungen geworden ist.“ Zudem befürchte sie, dass die Mitgliedschaft Einschränkungen der persönlichem Freiheit bedeute. Und führt die Ablehnung von Bluttransfusionen oder von Festen wie Weihnachten an. „Auch das ist dem Einzelnen zwar freigestellt“, sagt Motschmann, „offen ist aber, ob er bei seiner Entscheidung nicht unter Druck steht.“

Die ZJ selbst betrachten sich als unpolitisch. Den Körperschaftsstatus streben sie an, um eine ihrer Größe entsprechende Rolle in der Gesellschaft zu spielen, sagt Gajus Glockentin, Sprecher der deutschen ZJ-Zentrale in Selters. Das bedeute aber nicht, dass man Privilegien wie die Teilnahme an Gremien wie dem Rundfunkrat oder das Einziehen von Kirchensteuern vom Staat tatsächlich in Anspruch nehmen wolle. Vor allem gehe es um „Verwaltungsvereinfachungen“, so Glockentin. Zu „unpraktikabel“ sei die administrative Arbeit der bislang als Vereine organisierten 1.400 Gemeinden bundesweit.

„Politische Forderungen stellen die ZJ nicht“, sagt auch Helmut Hafner, Beauftragter für den interreligiösen Dialog beim Bremer Senat. „Wenn ihre Anerkennung hilft, dass sie sich mehr nach außen öffnen“, sagt Hafner, „dann hätte sie etwas Gutes.“

Für Glockentin steht keine Religionsgemeinschaft mehr für die Bereitschaft zum interreligiösen Dialog als die ZJ. „Das zeigt schon die Tatsache, dass wir von Haus zu Haus gehen.“ Ob man den Dialog künftig auf institutioneller Ebene führe, sei noch nicht abzusehen. TERESA HAVLICEK