Göttliche Anproben

Kerzen, Kreuze, Kirchenkittel: Auf der „ecclesia“ findet der Katholik von heute wieder ein breites Sortiment

Eitelkeit ist eine Sünde. Aber menschlich. Und wenn Gott zusieht, wie sich so mancher Priester durch das Angebot an Messgewändern wühlt und beim Anprobieren selbstvergessen im Spiegel betrachtet, wird er wohl mindestens ein Auge zudrücken. Zu vielfältig ist das Angebot an Berufskleidung bei der „ecclesia“, der „Internationalen Fachmesse für Kirchenausstattung und religiöses Leben“, die heute auf der Kölner Messe noch einmal ihre Pforten öffnet und sich vor allem an Katholiken richtet.

Glaube an Gott ist das eine. Um ihn auf Erden unter die Menschen zu bringen, bedarf es höchst irdischer Dinge. Und weil es die Zeiten nie gegeben hat, als die Kirche ihre Bedürfnisse mit einem einfachen „Vergelt‘s Gott“ bezahlen konnte, gibt es diese Messe, die über neueste Produkte und aktuellen Preise informiert. „Vielleicht finde ich hier einen neuen, preiswerteren Lieferanten für Kerzen“, hofft da ein Pfarrer aus der Voreifel, der Rücksicht auf das Sparprogramm seines Bistums nehmen muss. Er kann sich bei mehreren Produzenten informieren, die vom kleinen, einfachen Opferlicht bis zur metergroßen, kunstvoll verzierten Kerze ein reiches Sortiment anbieten. 160 Produzenten und Händler bieten Kirchenstühle und Turmuhren, natürlich per Funk auf Atomzeit geeicht, digitale Kirchenliedanzeigen, Orgeln, Silber- und Goldschmiedearbeiten, Würfel mit Bibelsprüchen, die bei Lebensentscheidungen helfen sollen.

An einem Stand lassen sich Herrgottsschnitzer aus Bozen bei der Arbeit zusehen. Klassische Kruzifixe überwiegen. Aber auch Modernes gibt‘s: Einer zeigt ein Kreuz, an dem statt eines Korpus ein leeres Hemd hängt. Die weltliche Holzfigur „Junge mit Stinkefinger“ ist hingegen nur im Katalog zu sehen. Gewöhnungsbedürftig dürfte bei der Gemeinde der Torso aus Yves-Klein-blauem Glas sein, der an einem Stahlgerippe hängt. Damit das Böse nicht allzuleicht in eine Kirche einbricht, beraten Polizei, Feuerwehr und Sicherheitsfirmen über Brand- und Diebstahlgefahren. Von außerkirchlicher Seite wird Coaching für Kirchenmänner angeboten. Wenig Besucheransturm verzeichnen die Informationsstände kirchlicher Arbeitnehmerorganisationen.

JÜRGEN SCHÖN