: Köln setzt Junkies an die Luft
Der Druckraum am Hauptbahnhof steht vor dem Aus. Im Jahr 2006 ist der Etat gestrichen. Damit fällt die einzige Einrichtung weg, in der Drogenabhängige sich geschützt einen Schuss setzen können
VON THOMAS SPOLERT
Der Drogenkonsumraum am Kölner Hauptbahnhof muss schließen. Die 245.000 Euro, die bisher jährlich für den Betrieb zur Verfügung stehen, sind im Haushaltsplan 2005/2006 für das kommende Jahr komplett gestrichen.
Gesundheitsdezernentin Ursula Christiansen (SPD) bestätigte gestern gegenüber der taz, dass beabsichtigt ist, den Raum zuzumachen. Es sei „schädlicher, im Drogenbereich woanders zu kürzen“, so Christiansen. Sie attestierte aber auch, dass die Einrichtung ein Erfolgsmodell sei. Die Schließung habe ausschließlich finanzielle Gründe, so Christiansen. Im Vergleich zur Nutzerzahl sei der Raum zu teuer.
Das weist der Mitarbeiter Wolfgang Scheiblich weit von sich: „20 bis 45 Leute kommen jeden Tag“, empört sich der Angestellte des „Sozialdienst Katholischer Männer“ (SKM). 300 Drogengebraucher nutzten regelmäßig das Angebot, sich unter hygienischen Bedingungen und mit sterilen Spritzen ihren Schuss zu setzen. In dem Konsumraum treffen Heroinabhängige nicht nur auf eine saubere Umgebung, sondern auch auf eine Krankenpflegekraft, die im Notfall eingreifen kann. So soll vor allem Infektionen mit Hepatitis oder HIV sowie der Entstehung von Abszessen vorgebeugt werden. Auch ein Arzt des mobilen medizinischen Dienstes des Gesundheitsamtes steht zwei Stunden täglich für Beratung und Behandlung der Abhängigen parat.
Sogar die Partei der Gesundheitsdezernentin setzt sich nun für den Erhalt ein. „Die Einrichtung ist ein zentraler Bestandteil des Kölner Drogenhilfesystems und darf nicht einfach wegfallen“, sagt Michael Paetzold, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Paetzold räumt aber auch Fehler seiner Partei bei der Aushandlung des Koalitionsvertrags ein. „Was dort steht, ist sehr weich formuliert“, bedauert er. Der Konsumraum steht in dem Papier unter Finanzierungsvorbehalt.
Die zuständige CDU-Abgeordnete wusste bis gestern gar nichts von den Streichplänen der Verwaltung. „Man muss aber die Effizienz jeder Maßnahme einzeln beurteilen“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin Ursula Gärtner der taz. Sie macht kein Hehl daraus, dass die CDU den Raum immer kritisch gesehen hat, weil er die Menschen nicht aus dem Konsum hole. „Ich sehe das aber ideologiefrei“, betont die CDU-Politikerin. Zahlen und Fakten über Akzeptanz und Erfolg des Konsumraums lägen ihr allerdings nicht vor.
Die Kölner FDP protestiert vehement gegen das geplante Aus: Eine Schließung komme einem „Kahlschlag in der Drogenpolitik“ gleich, erklärt der gesundheitspolitische Sprecher im Kölner Rat, Marco Mendorf. Wenn der Schutzraum nicht erhalten werde, müssten „drogenabhängige Menschen wieder ohne Hilfe in Anonymität und Kriminalität flüchten“, befürchtet Mendorf.
Auch die Grünen im Rat wollen den Konsumraum erhalten. „Wir dürfen keine ad-hoc-Maßnahmen beschließen“, warnt Aris Ünal vor einer Schließung. Schließlich habe Köln relativ wenige Drogentote zu beklagen, sagt der Grüne. Ünal empfiehlt zu erwägen, ob nicht in anderen Ressorts als der Gesundheitsverwaltung gespart werden könne. Möglicherweise könne durch dezernatsübergreifendes Sparen der Konsumraum weiterfinanziert werden. „Für Köln wäre die Schließung eine Katastrophe“, ist sich auch der Leiter der Einrichtung, Andreas Hecht, sicher. Das Projekt sei Vorbild für andere Städte in Nordrhein-Westfalen. Und während die Kölner schließen, macht die Landeshauptstadt Düsseldorf 2006 erstmals 750.000 Euro für ihren ersten Konsumraum locker.