Die entscheidende Minderheit

Je knapper der Wahlausgang, desto wichtiger wird der Südschleswigsche Wählerverband: Von der Fünfprozenthürde befreit könnten seine zwei oder drei Abgeordneten die Entscheidung über Regierungs- oder Oppositionsbank der anderen fällen

Das Zünglein an der Waage wird schon mal ausgestreckt: Das „soziale Gewissen der künftigen Landesregierung“ will der SSW, die Partei der dänischen und friesischen Minderheit, sein. Klingt nach einer Menge Ehrgeiz, hat aber mit simpler Mathematik zu tun: Denn wenn es ein knappes Wahlergebnis gibt, können die zwei oder drei Mandate des SSW über die Regierungsbildung entscheiden.

Sechs Kernpunkte stellte die Partei vor, die Basis seien für künftige Gespräche – nicht über eine Koalition, sondern über die Tolerierung einer Minderheitsregierung. Denn dieses Modell zieht der SSW deutlich vor.

Offiziell ist die kleine Partei, die zurzeit mit drei Abgeordneten im Parlament unterhalb der Fraktionsstärke liegt, nach beiden Seiten hin offen. Allerdings steht vor allem ein Punkt in ihrem Forderungskatalog, der CDU und FDP gar nicht schmecken dürfte: Noch in diesem Jahr solle ein Programm für die ungeteilte Schule aufgestellt werden, spätestens 2006 solle es konkret losgehen. Schwarz und Gelb sprechen sich beide für das dreigliedrige Schulsystem aus.

Zu den weiteren Forderungen des SSW gehören eine „aktive Arbeitsmarktpolitik, die die Folgen von Hartz IV abfedert“ – der SSW hatte gegen das Programm gestimmt und verlangt nun, dass jeder Arbeitslose innerhalb eines Jahres ein Angebot für einen Job oder eine Ausbildung bekommt. Geld dafür solle aus dem Förderprogramm „Arbeit für Schleswig-Holstein“ kommen. Außerdem sollen mittelfristig Kinder von null bis drei Jahren eine Betreuungsplatz erhalten, das Kita-Angebot dürfe nicht verschlechtert werden. Die Zusammenarbeit mit Dänemark solle gestärkt und die dänischen Schulen sollten die selben Zuschüsse erhalten wie andere öffentliche Schulen. Außerdem dürften die Stellen der Landesbeauftragten nicht abgebaut werden: Das Prinzip der Ombudsleute sei Kennzeichen eines modernen Staates, sagte SSW-Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk.

Für sie ist würde – gerade bei einem knappen Wahlergebnis – die Minderheitsregierung den Wählerwillen deutlicher widerspiegeln als eine Koalition. Die Tolerierung müsse verlässlich sein, erklärte sie: „Allerdings gibt es auch Fragen, bei denen wir nicht mitstimmen würden. Da müsste sich die Regierung dann eine andere Unterstützung suchen.“

Vorteil wäre ein anderer Stil im Parlament: „Es gibt immer Anträge, die nur gestellt werden, um den Gegner zu ärgern. Und in Ausschüssen herrscht oft Einigkeit über eine Frage, aber im Parlament wird dann doch anders abgestimmt. Von solchen Schaufensterveranstaltungen würden wir wegkommen“, hoffte Spoorendonk.

Rückenwind in den letzten Wahlkampftagen gab dem SSW eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Die Partei darf landesweit antreten und bleibt von der Fünf-Prozent-Klausel befreit. Das Schleswiger Oberverwaltungsgericht hatte das bezweifelt und durch eine entsprechende Mitteilung die Stimmung der wahlkämpfenden Dänenvertreter empfindlich gedrückt. Esther Geißlinger

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