denkmal dubios (4)
: Die mahnenden Brüder vom Marktplatz

Was ist ein Denkmal ohne das Kleingedruckte? Wahnsinnig unaktuell. Überholt von den „Zeitläuften“, wie Die Zeit sich ausdrücken würde. Fragen wir lieber schlicht: Warum müssen wir immer noch „der Brüder“ gedenken, „die das Schicksal unserer Teilung tragen“?

Meterhoch prangen die mahnenden Worte am Marktplatz, angebracht auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Bürgermeisters Wilhelm Kaisen (Patriot, SPD). Schon 1955. Also sechs Jahre vor dem Mauerbau.

Dabei stehen die gesammelten Marktplatzfassaden inklusive des betroffenen „Deutschen Hauses“ (Am Markt Nummer 1), in dem die Marktdiele und Ratsstuben untergebracht waren, natürlich selbst unter Schutz – und zwar als stolze Ersteinträge auf Bremens ältester Denkmalliste von 1909. Durfte man da einfach was anbringen?

„Man kann sich nicht grundsätzlich widersetzen, wenn große geschichtliche Ereignisse ihre Spuren hinterlassen“, sagt Bremens derzeitiger Denkmalhüter Georg Skalecki. Auch jetzt sei es richtig, die Schrift als „Erinnerung“ an die damalige Betroffenheit an der Wand zu lassen.

Immerhin sah man sich nach der Wiedervereinigung bemüßigt, eine kleine Fußnote unter die große Schrift zu setzen. Die erklärt etwas redundant: Das Mahnmal erinnere „an die deutsche Teilung 1949 – 1989“. Zuvor aber verlieh man die Inschrift als Exponat für verschiedene historische Ausstellungen – zuletzt in Leipzig. So wurde das Denkmal am Denkmal zum Wanderpokal.

Nachzutragen ist ein Fall für „Denkmal noch dubioser“: Der martialische Vogel aus Serienfolge 2, obwohl beim Landesamt für Denkmalpflege als Ensemble mit den umgebenden historischen Gebäuden eingetragen, ist viel jünger als behauptet. Er entstand nicht vor dem ersten Weltkrieg, sondern erst 1971 – durch die Hände von Hans Wimmer. Aber die von seinen Krallen fest umspannte Weltkugel? Sei mitnichten als „Symbol für menschliches Machtstreben“ zu missdeuten, wie uns das Wimmersche Werkverzeichnis belehrt.

Vielmehr solle die Gesamtkomposition „die weltumspannende Atmosphäre dieser Stadt kennzeichnen“. Was Gerhard Marcks nicht vom Lästern abhielt. Aus einem Brief an seinen Bildhauer-Freund: „Vom Ross verstehst Du mehr, viele Federn machen noch keinen Vogel, vor allem keinen Adler …“

HB/Foto: Joanna Kosowska