Im Palais brüllt der Panter

Eine Ausstellung im Museum Ephraim-Palais erzählt die Geschichte des Zirkus in Berlin. Gezeigt werden viele einzigartige Exponate aus der schillernden Welt der Clowns, Artisten und Dompteure

VON ALEXANDRA RAETZER

Was fehlt, ist nur der Duft von Pferdeäpfeln und Sägespänen. Ansonsten hat das Museum Ephraim-Palais in Mitte so ziemlich alles zu bieten, was Freunde der circensischen Künste sich wünschen: glitzernde Pailettenkleider, grellbunte Kostüme, lachende Clowngesichter, ausgestopfte Raubtiere, Plakate, Fotoalben und Artistenutensilien. Sie sind in der gestern eröffneten Ausstellung „Zirkus in Berlin“ vereint. Veranstalter sind das Stadtmuseum Berlin gemeinsam mit der Kulturhistorischen Gesellschaft für Circus- und Varietékunst e. V. und dem Circus-, Varieté- und Artistenarchiv Marburg.

Die Ausstellung zeigt die lange Geschichte des Zirkus in Berlin. Sie begann im November 1788 mit dem Gastspiel des spanischen Kunstreiters Peter Mayheu, 1806 folgte ein Besuch der Gesellschaft Christoph de Bachs aus Wien. Gespielt wurde damals noch unter freiem Himmel, erst im Jahr 1821 entstand im Tiergarten vor dem Brandenburger Tor der erste Zirkusbau aus Holz.

Begleitet von dem sonoren Bass eines brüllenden Panters, Hauptprotagonist im Defa-Film „Der schwarze Panther“ von 1966, erläuterte Lothar Schirmer, Kurator der Ausstellung, gestern den Aufbau und die Besonderheiten der Zirkus-Schau. In neun thematisch in sich geschlossenen Räumen widmet sie sich Berliner Unternehmen, einzelnen Künstlern sowie klassischen Zirkusgenres wie Clownerie, Artistik und Dressur. Die Exponate, so Schirmer, stammen vorwiegend aus der Sammlung „documenta artistica“, die der Berliner Zirkusfreund Julius Markschiess-van Trix 1979 an den Berliner Magistrat verkauft hatte, der sie wiederum dem Märkischen Museum übergab.

Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören ferner Stücke aus der Sammlung Fritz Dillenbergs. Der Westberliner hatte seine Zirkusschätze 1971 an das Ministerium für Kultur der DDR verkauft. Über Umwege gelangte aber auch diese Sammlung ins Märkische Museum.

Einzigartig auf der Welt ist, so Lothar Schirmer, die in der französischen Manufacture Nationale de France gefertigte Bodenvase mit dem Motiv „Zirkusspiele“, die 1935 auf der Brüsseler Weltausstellung gezeigt wurde, jedoch nie in Produktion ging. Zu sehen sind außerdem Architekturmodelle der beiden festen Spielstätten, in denen Berliner Zirkusgeschichte geschrieben wurde.

Eine prächtige Kulisse bot das Haus des Circus Schumann, der die erste Berliner Markthalle zwischen Karl- und Friedrichstraße und Schiffbauerdamm für seine Zwecke umbaute. Von 1873 bis 1918 traten hier die Artisten der Zirkusse Salamonsky, Renz und Schumann auf. Bis zu 4.300 Zuschauer fanden Platz im Circus Busch, dessen 1895 eröffnete Spielstätte zwischen S-Bahnhof Börse und der Spree 1937 auf Anordnung des Berliner Staatskommissars Julius Lippert abgerissen wurde. Bei seinen Vorstellungen zeigten bis zu 500 Artisten ihre Kunststücke.

Auch wer Kurioses historischen Details vorzieht und mit Zirkus vornehmlich schillernde Gestalten verbindet, die außerhalb der Manege vermutlich für verrückt erklärt würden, wird in der Ausstellung fündig: King Repp alias Alfred Wolf-Repp (1897–1968) war ein solcher Artist. Sein Foto zeigt einen Mann, dessen irrer Blick und an den Enden zusammengezwirbelter Schnurrbart ihn wie eine komische Version von Salvador Dalí erscheinen lassen. King Repps königlicher Mantel samt Krone aus dem Jahr 1925 ist eines der gezeigten historischen Kostüme. Ein Hingucker ist auch ein winziges „Kleinstfahrad“. Auf ihm fuhr nicht etwa ein Zwergpudel seine Runden, sondern Artistenlegende Bruno Grosse (1890–1985), der auf dem Miniaturgefährt noch im Alter von 75 Jahren durch die Manege radelte.