Kleine Enttäuschung

Zum Auftakt der Ski nordisch-Weltmeisterschaft bleiben die deutschen Athleten ohne Medaillen

OBERSTDORF taz ■ Das Schöne bei Weltmeisterschaften sind ja immer die so genannten Exoten. Die sieht man sonst nie, weil sie nicht gut genug sind für die Weltcups, wo sie den etablierten Athleten nur im Weg stehen würden. Bei globalen Titelkämpfen aber werden sie gebraucht, um die Zahl der teilnehmenden Nationen in die Höhe zu treiben und den Glauben zu stärken, dass es sich tatsächlich um ein weltumspannendes Ereignis handelt. Außerdem geben sie lustige Bilder und Geschichten her, so wie der Brasilianer Helio Freitas. Der durfte am Donnerstag bei der WM in Oberstdorf im 15-Kilometer-Langlauf mitmachen, obwohl er sich erst vor ein paar Wochen in einer Skischule im Allgäu angemeldet hatte, um das richtige Abfahren auf den schmalen Ski zu erlernen. Außerdem machte sich der Mann aus Südamerika noch mit dem Gebrauch von warmer Unterwäsche vertraut: Die Eingeborenen in Oberstdorf erklärten ihm dabei freundlich, dass man die mit speziellen Windstoppern versehene Sportlerwäsche tatsächlich unter dem Laufanzug trägt und nicht darüber, so wie es Freitas ursprünglich vorhatte.

Der Brasilianer hatte immerhin etwas zum Anziehen, der Ire Rory Morrish hingegen gar nichts mehr, als er am Mittwoch am Flughafen in München ankam: Seine ganze Ausrüstung war woanders hingeflogen worden, und damit er überhaupt mitlaufen konnte, mit der Startnummer 13 im Übrigen, liehen ihm die Deutschen ein paar Ski. Auch wegen solcher organisatorischen Details hatte die Mannschaftsführersitzung am Mittwochabend zweieinhalb Stunden gedauert, wie der deutsche Langlauf-Cheftrainer Jochen Behle stöhnend berichtete. Das war noch fast zwei Stunden länger, als die 19 Jahre alte Armenierin Aida Saribekyan tags darauf brauchte für den 10-Kilometer-Kurs der Frauen. Aida Saribekyan hatte die Ehre, den sportlichen Teil der WM zu eröffnen: Sie lief mit der Startnummer 1 los, man kann das als symbolische Geste an die Exoten sehen.

Armenien scheint aber dennoch eine gute Gegend für den Ski-Langlauf zu sein, denn dort bereiteten sich die russischen Athletinnen auf die WM vor, mit erstaunlichem Erfolg: Drei von ihnen liefen unter die ersten sechs, Beste war die zweimalige Olympiasiegerin Julia Tschepalowa als Zweite. Sie wurde um nur 1,2 Sekunden besiegt von der Tschechin Katerina Neumannova. Erst als Dritte, fünfzehn Sekunden zurück, kam die Norwegerin Marit Björgen ins Ziel, die Führende im Weltcup-Klassement.

Damit hat sie freilich nicht so sehr enttäuscht wie die deutschen Läuferinnen. In Abwesenheit der erkrankten Claudia Künzel (Oberwiesenthal) war Evi Sachenbacher aus Reit im Winkl erwartungsgemäß die beste Deutsche, aber nur auf Platz 18, anderthalb Minuten langsamer als die Siegerin. Anke Reschwamm (Willingen) wurde 21., Steffi Böhler (Ruhpolding) 25., Nicole Fessel (Oberstdorf) 56. Ein paar Stunden später gingen auch die deutschen Männer über 15 km Freistil medaillenlos aus. Bester DSV-Starter war Axel Teichmann auf Platz sieben, der 26,5 Sekunden Rückstand auf den neuen Weltmeiser, Pietro Piller Cottrer aus Italien hatte.

„Ich habe schon gehofft, dass es besser wird“, sagte Evi Sachenbacher: Um Platz zehn war das Ziel gesteckt gewesen. „Am Anfang ging es auch ganz gut“, sagte die 24-Jährige, aber als sie nach drei Kilometern von der unmittelbar nach ihr gestarteten Tschepalowa eingeholt worden war, „habe ich versucht, mit ihr mitzugehen. Das war mein Tod“, so Sachenbacher.

Damit ist eine unangenehme Diskussion eröffnet für Evi Sachenbacher, nämlich die um ihren Heimtrainer Wolfgang Pichler. Zu dem war sie vor diesem Winter gewechselt, er hatte den Trainingsumfang deutlich erhöht, was Sachenbachers kleinem Körper offenbar nicht gut tat. Bundestrainer Jochen Behle vermutete die Anstrengungen jedenfalls als Grund für die häufigen Erkrankungen der Athletin in diesem Winter und kündigte eine Analyse nach der WM an. In welche Richtung die Debatte geht, ist abzusehen: „Ich bin nicht immer auf einer Linie gewesen mit Pichler“, sagt Behle, „aber er trägt als Heimtrainer die Verantwortung.“JOACHIM MÖLTER