Björn Kircheisen hofft auf den letzten Anstieg

Der 21-jährige Kombinierer startet heute guter Hoffnung ins WM-Rennen. Sein Kollege Ronny Ackermann tut sich derzeit nicht ganz so leicht

OBERSTDORF taz ■ Es ist das Vorrecht der Jugend, zuallererst den Spaß im Auge zu haben und dem Ernst einer bevorstehenden Weltmeisterschaft mit Lockerheit zu begegnen. Und so hat Hermann Weinbuch, der Bundestrainer der nordischen Kombinierer, nur väterlich genickt, als Björn Kircheisen, gerade einmal 21 Jahre alt, davon sprach, wie wenig Druck er vor der WM verspüre und wie sehr er sich auf die Zuschauerkulisse freue. Immerhin: Kircheisen ist zuletzt beim Weltcup in Pragelato Dritter geworden und war dabei in der Loipe sogar besser als der in den vergangenen Wochen unbezwingbar erscheinende Finne Hannu Manninen.

Ronny Ackermann, 27, ist schon ein paar Jahre älter als Kircheisen. Er ist Weltmeister im Einzel und könnte heute (11 und 15 Uhr) seinen Titel verteidigen – wenn sich nicht ein grober Fehler beim Springen eingeschlichen hätte, der seine Zuversicht für die WM hat schwinden lassen. Von Lockerheit und Spaß hört man ihn nicht sprechen, bei der Eröffnungspressekonferenz des deutschen Skiverbandes war Ackermann erst gar nicht zugegen. „Wir wollten nicht, dass er sich bohrenden Fragen stellen muss“, sagte Weinbuch. Denn vermutlich wäre auch danach gefragt worden, wie es zu den Fehlern beim Springen überhaupt kommen konnte und welche Lösungen man versucht habe. Während Ackermann sich regenerieren sollte, übernahmen Weinbuch und Sprungtrainer Andreas Bauer die Analyse, die zusammengefasst so lautete: Ackermanns Sprungschuh war ausgeleiert, der Anzug ein wenig zu knapp bemessen, prompt hat er sich eine falsche Haltung in der Anlaufspur und beim Absprung angewöhnt.

Die Ursache zeigte freilich erst verspätet üble Wirkung. „Er hat Fehler gemacht, aber war trotzdem der Beste beim Springen. Was soll man da tun?“, fragt Weinbuch. Die Fehler haben sich schließlich doch bemerkbar gemacht, Ackermann tat sich immer schwerer auf der Schanze und musste mit ansehen, wie Manninen, sein schärfster Konkurrent, gleichzeitig immer besser sprang. Die Folge, so Bauer: „Er war nicht mehr so locker.“ Die technischen Details sind kompliziert, jedenfalls war es ein schweres Stück Arbeit, den Fehler auszumerzen. Immerhin sagt Weinbuch jetzt: „Er kommt langsam und stetig in Form“, was folgenden WM-Fahrplan ergibt: „Den ersten Wettkampf am Freitag soll er einfach so mitnehmen und sich in der zweiten Woche dann steigern.“ Ackermann sei durchaus Profi genug, sich mit dieser Situation zu arrangieren. Dass Weinbuch mit dem Formtief seines Vorzeigeathleten keine Krise des gesamten Teams ausrufen muss und vor dem ersten Wettkampf einen recht entspannten Eindruck macht, liegt an Kircheisen. „Ich bin froh, dass er rechtzeitig in Form gekommen ist“, sagt der Trainer.

Kircheisen war im Winter 2002/2003 ins Rampenlicht gesprungen und gelaufen, hat innerhalb von 72 Stunden in Trondheim drei Weltcups gewonnen und die Saison als Dritter in der Gesamtwertung beendet. Später zeigte sich: Er war durch die weit geschnittenen Anzüge, die mittlerweile verboten sind, bevorteilt. „Er musste eigentlich gar nicht abspringen, kam einfach so ins Fliegen“, erklärt Sprungtrainer Bauer.

Nach der Regeländerung jedoch musste Kircheisen die technischen Grundlagen völlig neu erlernen. Bauer: „Wir haben seinen kompletten Absprung umgebaut.“ Das hat viel Zeit gebraucht und am Selbstbewusstsein des Athleten genagt. Still und in sich gekehrt saß er beim Weltcup in Seefeld im Januar vor einem Jahr da und redete mit leiser Stimme von „Geduld, die ich jetzt halt haben muss. Ich weiß ja, wo ich schon mal war. Und da will ich wieder hin. Aber es ist schwer.“

Bei der WM präsentiert sich nun ein ganz anderer Björn Kircheisen: Locker sitzt er da, offen blickt er in die Journalistenrunde, was seine Trainer sogleich als „neue Selbstsicherheit“ deuten. Kircheisen sagt: „Ich muss mir am wenigsten Druck machen, ich kann hier starten und will meinen Spaß haben.“ Und auch wie dieser Spaß aussehen könnte, hat er schon so ungefähr im Kopf: „Wenn ich in die Region von Manninen springe, dann kann man ja einen D-Zug in der Loipe aufmachen und …“ Freilich: Mit dem starken Finnen dem Ziel entgegenzuhetzen und ihn dann im Schlusssprint zu überholen, das sind bisher nur Gedankenspiele. Doch Kircheisen weiß auch: „Manninen hat Schwächen auf den Anstiegen. Da könnte was gehen.“ KATHRIN ZEILMANN