Studium auf Pump

Kreditanstalt für Wiederaufbau konkretisiert Pläne für elternunabhängige Darlehen – als Ergänzung zum Bafög

BERLIN taz ■ Studenten werden endlich ernst genommen, auch am Kapitalmarkt. Vertreter der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) berieten gestern in Berlin mit Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft, in welcher Form Bildungsdarlehen bis zum nächsten Wintersemester eingeführt werden können. Dabei stand das von der KfW vor zwei Wochen veröffentlichte Darlehensmodell im Mittelpunkt.

Es sieht monatliche Kredite in Höhe von maximal 650 Euro für Studierende vor, die nicht an das Gehalt der Eltern gekoppelt sind und marktüblich verzinst werden. Davon sollen die Studenten ihren Lebensunterhalt bestreiten. „Das Thema Studiengebühren hatten und haben wir bei der Entwicklung nicht im Blick“, unterstrich KfW-Vorsitzender Hans W. Reich. Das Bafög bleibe davon gleichfalls unberührt, sagte Reich und stützte damit Beteuerungen von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD): „Das Bafög bleibt.“

Das KfW-Modell solle vielmehr eine Ergänzung zu dem zinslosen Darlehen sein, das nur einem Viertel der Studenten zugute komme, sagte Reich. Bei der Expansion darlehensbasierter Förderung setzt Reich allerdings auf einen mentalen Wandel bei den Empfängern.

Denn das Angebot der KfW ist nur aus der Perspektive von Kapitalmarktexperten wirklich attraktiv: „Neun Prozent Rendite kriegen Sie sonst nirgends“, warb der Chef der Entwicklungsbank. Die Bildungsrendite spiegelt die Verzinsung des während des Studiums entgangenen Einkommens wider. Mit Hilfe der KfW-Darlehen sollen sich Studienzeiten um gut ein Jahr verringern, und so könnten Studenten bis zu 40.000 Euro gewinnen.

Jedoch würden sie bei einem zehnsemestrigen Studium nach Berechnungen der Bundesregierung Schuldenberge bis zu einer Höhe von 126.000 Euro anhäufen – ein gewaltiger Betrag, der das angestrebte Ziel der Wirtschaftsexperten, mehr Abiturienten an die Unis zu locken, zu untergraben droht.

Deshalb fußen die Vorzeigerechnungen der Entwicklungsbank weiterhin auf zusätzlichen Einkommensquellen. „Wir gehen davon aus, dass etwa 350 Euro monatlich in Anspruch genommen werden“, sagte Reich.

Noch ist unklar, wer für die kalkulierten 13 Prozent der Uni-Absolventen einspringt, die nicht zahlen können. Der Chef des Zentrums für Hochschulentwicklung, Detlef Müller-Böling, kann sich dafür den Staat, die Unis, private Banken oder gar die Studierenden selbst vorstellen.

Nach Ansicht von Nele Hirsch vom Studierendendachverband fzs ist das Modell der Kreditanstalt für Wiederaufbau kontraproduktiv, weil Studenten abgeschreckt statt angelockt würden: „Beim Bafög ist die Obergrenze der Verschuldung wenigstens auf 10.000 Euro festgesetzt.“ Was man brauche, sei ein Ausbau der staatlichen Förderung, keine marktüblichen Darlehen staatlicher Banken. ANNA LEHMANN