Das Ruhrgebiet als abgetanzter Soundfile

Tanzsequenzen sträuben sich gegen Soundsequenzer, Körper gegen ein Schlagwerk. Die New Yorker Choreografin Noreen Pietri zeigt im Maschinenhaus Essen mit „From There To Here“ ein interdisziplinäres Tanzprojekt

In der fast nackten Backsteinhalle neben der Zeche Carl wird es dunkel. Die kanadische Musikerin Lesley Olson beginnt auf ihrer Querflöte den Puls des Ruhrgebiets zu suchen. Das Geräusch der Klappen am Instrument ersetzt dabei tonlos die mächtigen Kolben ehemaliger Stahlwerke. Die zeitgenössische Komposition, bei der die Töne auch mal durch einen Sequenzer gejagt werden, bilden jenes drohende Crescendo, das jahrzehntelang über der Region lag und jetzt in das ehemalige Maschinenhaus der Zeche zurückgekehrt ist.

Dazu tanzt sich Liana Del Degan still und einfühlsam durch einen imaginären Großstadtdschungel. Dem Bühnenbildner reichten dafür weiße Papierbahnen, die lockenhaft von der Decke hängen. Liana Del Degan gehörte einmal zur Kompanie von Reinhild Hoffmann, die von 1986 bis 1995 am Bochumer Schauspielhaus engagiert war. Auffällig lange bewegt sie sich auf einer Diagonalen durch den Raum, die durch einen Scheinwerfer und Lesley Olson gebildet wird. Immer wieder strebt sie den wabbernden Tonfiles zu, weicht erschrocken zurück und schöpft erneut Kraft an der Lichtquelle.

„From There To Here“ heißt das neue Projekt der New Yorker Choreografin Noreen Pietri. Sie bringt Künstlerinnen und Künstler aus den USA, Kanada und dem Ruhrgebiet zusammen, die hier auch hier leben und arbeiten. Gemeinsam wollen sie ihre Sicht auf die Region vorstellen, fernab von gängigen Klischees.

Den zweiten Akt bestreitet der Tänzer Mario Alfonso mit einer Bach Cello Suite. Sie spielt Urs Wiehager auf einem Elektrobass. Die Toxic Trace Version des alten Schinkens (bwv 1006) bringt Alfonso mächtig ins Schwitzen. Seine Bewegungen sind wilder – die Choreografie verlässt endgültig die lyrischen Sphäre.

„Unseen faces keep appearing“ – Noreen Pietri steht selbst auf der dunklen Bühne und rezitiert das Gedicht „To get drunk you have to drink“. Dann ist erst einmal Pause im Maschinenhaus. Dort haben seit ein paar Jahren die regionalen Performance-Künstler eine Heimat gefunden. Zurzeit dominieren allerdings tänzerische und musikalische Projekte, wie das von Eckard Koltermann. „Hier können die Gruppem nicht nur auftreten, sondern auch in Ruhe proben“, sagt Organisatorin Susanne Thrien-Pillath.

Zum Schluß kämpft eine Tänzerin gegen die imaginäre Nabelschnur, die sie mit einem mächtigen Schlagzeug verbindet. PEL

Sa, 20:00 Uhr, Maschinenhaus, EssenInfos: 0201-8378424