Essen macht auf Kulturgeschichte

Am Sonntag bereist die Bundes-Jury das Ruhrgebiet auf der Suche nach Europas Kulturhauptstadt 2010. Die Revierbewerber wollen die junge Kulturgeschichte des Ruhrgebiets fortschreiben

AUS ESSEN CHRISTOPH SCHURIAN

Borussia Dortmund stehe hinter der Kulturhauptstadtbewerbung, freut sich Essens Kulturdezernent Oliver Scheytt, „dabei haben die doch andere Sorgen“. Auch Schalke säße mit im Boot. Im Bob, verbessert Bochums Hans-Georg Küppers seinen Essener Kollegen: „Bei der Bewerbung sind Anschieber wichtig, dann muss man an den Lenkseilen ziehen“. An Seilen hängt zuvor ein Transparent vom Essener Rathaus, bedruckt mit 57 Konterfeis der Stadt- und Kreisoberhäupter des Reviers, für die Kulturhauptstadt flatterten die Siebdruck-Köpfe gemeinsam im kalten Wind. Weil auch die Wirtschaft mitziehe und – als „starker Anschieber“ (Küppers) – die regionalen Verlage eine Imagekampagne schalteten, fiebern Küppers und Scheytt Sonntag entgegen.

Um halb neun werden die sieben JurorInnen zum dreistündigen Trip von Bochum nach Essen erwartet. Von der Jahrhunderthalle führt der bis zum „Ensemble aus Symphonie und Konzernzentralen“, so Scheytt. Weil er mit Küppers, den OB von Bochum und Essen und NRW-Kulturminister Michael Vesper einen guten Eindruck machen wolle, sind Details geheim: Bei zu viel Presse hätten die Gutachter ihre Ausflüge abgebrochen.

Bis zur Kultusministerkonferenz Anfang März werden die Kulturrichter zwei bis vier bundesdeutsche Bewerberstädte ausgewählt haben, die der Europäischen Union vorgeschlagen werden. Dann beginnt das eigentliche nationale Wettrennen um die Kulturhauptstadt Europas 2010.

Andere Städte haben das offenbar schon eröffnet: In Essen hängt ein Plakat von Halle – Küppers wollte schon „Jahrhundert“ davor pinseln lassen. Die Bewerberstadt Regensburg ließ Konkurrenten wenig geschmackvoll mit Süßem bombardieren. Für die Bayern outetete sich auch Christoph Schlingensief als Revierfan und inszenierte die Entlassung des Regensburger Bewerbungschefs.

Die Kulturruhrbewerber halten nichts vom Getrommel. Sie wollen mit Ideen überzeugen: Das Ruhrgebiet bewerbe sich, so Scheytt, als Stadtregion, als multinationales Einwanderungsgebiet, das mit der Bewerbung seine „sehr junge Kulturgeschichte“ fortschreibe und die Impulse der Internationalen Bauausstellung und Ruhr-Triennale aufnehme.

Auswirkungen auf die Kultur habe bereits das Bewerbungsverfahren – so wurde der Bochumer Kulturetat aufgestockt: Lächelnd berichtet das Küppers auch von anderen Bewerberstädten. Kollege Scheytt freut sich, dass der favorisierte Mitbewerber Bremen nicht mehr mit Kulturkürzungen auf sich aufmerksam mache: „Es wurde sogar schon gefordert“, lacht Scheytt, „das Bewerbungsverfahren um zwei Jahre zu verlängern.“ – Zu seinem ganz persönlichen Bewerbungsmarathon als Direktor des Regionalverbandes Ruhr will sich Scheytt übrigens erst nach dem Jurybesuch wieder öffentlich äußern.