Verdorrende Leselandschaft

Hella Schwemer-Martienßen, Chefin der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen, spart, wie man ihr geboten. Erste Zweigstellen hat sie geschlossen, Gebühren für audiovisuelle Medien sind geplant. Doch die strukturellen Probleme löst das nicht

Ab Sommer soll es anstelle der bisherigen Ausweise preislich gestaffelte Kundenkarten geben

Interview: Petra Schellen

Finsternis wölbt sich über Hamburgs Leselandschaft, erste Ausdünnungen sind vollzogen: Fünf Bücherhallen musste Hella Schwemer-Martienßen, Leiterin der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen (HÖB) vorige Woche schließen, um der 900.000-Euro-Sparvorgabe der Kulturbehörde zu entsprechen: Die Filialen St. Pauli, Stellingen und Dulsberg wurden aufgegeben, Lurup und Blankenese Zusammenlegungs-Plänen geopfert: Bis 2007 sollen die Bücherhallen Osdorf und Lurup im EEZ, Rissen und Iserbrook bis 2009 am Blankeneser Bahnhof vereint sein.

taz hamburg: Welchen Ersatz bieten Sie den Lesern für die geschlossenen Bücherhallen?

Hella Schwemer-Martienßen: Bis die Zusammenlegungen realisiert sind, werden wir Rissen, Iserbrook und Osdorf verstärken, indem wir das Angebot vergrößern und durch verstärkten Personaleinsatz die Öffnungszeiten erweitern. All dies soll in zwei Monaten umgesetzt sein.

Die von der Kulturbehörde eingesetzte Expertenkommission hat den HÖB auch Einnahmesteigerungen verordnet. Seit Januar gelten verkürzte Ausleihfristen und erhöhte Säumnisgebühren. Ab wann werden Gebühren für audiovisuelle Medien erhoben?

Das muss man differenziert betrachten. Gebühren für Videos halte ich für überholt, da dies ein technisches Auslaufmodell ist. Maßvolle Gebühren für DVD sind dagegen unbedenklich. Ohne Automatisierung ist dies allerdings nicht zu leisten. Der erste Schritt wird daher die Einführung von Selbstverbuchungs-Automaten in diesem Jahr sein.

Weitere Erhöhungen?

Wir wollen ab Sommer differenzierte Kundenkarten einführen, bei denen die Nutzer entscheiden können, welche Medien sie nutzen wollen. Wer nur Bücher leiht, wird weniger zahlen als der, der auch audiovisuelle Medien und Noten nutzt. Die Gebühr für das Gesamtpaket könnte bei jährlich maximal 50 Euro liegen.

Ab wann wird es erweiterte Öffnungszeiten geben?

Bis April/Mai wollen wir – zunächst in der Zentralbibliothek – die Samstags-Öffnung verlängert sowie montags halbtags geöffnet haben.

Weitere Einsparungen?

Wir prüfen derzeit jeden Posten – bis auf die Medienmittel. Die haben wir in den letzten zehn Jahren sogar erhöht: 1994 betrugen die Medienmittel vier Prozent des Gesamtbudgets, inzwischen sind es acht. Denn nur durch ein laufend aktualisiertes und hochwertiges Angebot kann eine Bibliothek ihrem Bildungsauftrag nachkommen.

Trotz allem sind dies kurzfristig greifende Sparmaßnahmen. Selbst die Expertise räumt ein, dass HÖB – sollte es weiterhin keine Zuwendungserhöhungen geben – irgendwann kaputtgespart sein werden. Werden Sie alle verbleibenden Standorte halten können?

Ich kann nicht ausschließen, dass es irgendwann weitere Schließungen geben wird. Aber im Tempo der vergangenen Jahre wird man das nicht verantworten können.

Apropos: Zwecks Anbindung der Innenstadt an die Hafencity sollen die HÖB ab 2009 am Domplatz residieren. Ein Plan, den es bereits vor dem Umzug an den Hühnerposten gab. Welche Verbesserungen wird der neuerliche Umzug bringen?

Was das Medienangebot und die öffentlich nutzbaren Räume betrifft, so bieten wir am Hühnerposten alle Möglichkeiten. Uns fehlen allerdings ein Ausstellungsareal sowie ein großer Veranstaltungsraum.

Den Umzug an den Hühnerposten hat der Investor bezahlt. Wer wird den Umzug an den Domplatz finanzieren?

Das ist noch unklar. Müssten HÖB ihn aber aus dem eigenen Etat finanzieren, ginge das zulasten der Stadtteilbibliotheken. Außerdem hat es nur Sinn umzuziehen, wenn dem Publikum mehr geboten wird als vorher. Wir werden unser Angebot also abermals verbessern müssen.

Sie werden am Domplatz 14.000 Quadratmeter Brutto-Geschossfläche zur Verfügung haben; am Hühnerposten sind es 11.000 Quadratmeter Netto-Geschossfläche. Wie werden Sie den gewonnen Raum nutzen?

Den größten Teil wollen wir öffentlich zugänglich machen und zusätzlich Angebote für Kinder und Jugendliche an diesen zentralen Ort holen. Die Kinderbibliothek am Grindel wird also wohl mit umziehen.

Zum Schluss eine politische Frage: Irritiert es Sie nicht, dass die HÖB – angesichts der Einspar-Forderungen senatsseitig nicht übermäßig geschätzt – am Domplatz wichtigster Mieter dieses ansonsten mit kleinen Institutionen bestückten Gebäudes sein wird? Könnte es sein, dass die Stadtplaner schlicht einen großen Mieter brauchen?

Der Umzug an den Domplatz bedeutet für uns eine große Ehre. Ich sehen keinen Grund, dies negativ zu kommentieren.