Preiswerte Sehnsuchtsbilder

Kunst sammeln leicht gemacht: Die Editionsgalerie Lumas bietet in Berlins Mitte künstlerische zeitgenössische Fotografie zu erschwinglichen Preisen. Ein Porträt

Kunst sammeln ist keine einfache Passion. Braucht es doch wahre Leidenschaft, die den Sammler darüber hinwegsehen lässt, dass Sammeln an sich eine weitestgehend sinnfreie Angelegenheit ist. Sachlich gesehen besteht dieses Hobby im Anhäufen und Archivieren so nutzloser Gegenstände wie rückseitig gummierter Postwertzeichen, durchbohrte Schmetterlinge oder dem Kleingeld längst versunkener Staaten und Nationen. Besonders das Sammeln bildender Kunst fordert seinen Anhängern ein gewisses Maß an Fetischismus ab. Vor dem Kauf eines Kunstwerks stehen die Beschäftigung mit Persönlichkeit, Stil und Anliegen des Künstlers, die Auseinandersetzung mit dem Galeristen und letztlich die Akzeptanz des bisweilen schwer nachvollziehbaren Preises.

Kunst sammeln leicht gemacht dagegen ist das Konzept von Lumas. Unter „Foto, Kunst, Editionen“ firmiert ein Geschäft, das seit November in Berlin-Mitte seine Räumlichkeiten in einem Hinterhof der Oranienburger Straße direkt am Hackeschen Markt geöffnet hat. Mit einer vierzigseitigen Hochglanzbroschüre als Zeitungsbeilage machen die Betreiber von Lumas, Stefanie Harig und Marc Alexander Ullrich, bundesweit Werbung für ihr Unternehmen. Ihre Idee, künstlerische zeitgenössische Fotografie zu erschwinglichen Preisen anzubieten, war ihnen eine Investitionssumme von 600.000 Euro wert.

Wie bei allen theoretisch unendlich reproduzierbaren Kulturgütern gilt die Regel: je bezahlbarer, desto höher die Auflage. Die Fotografien, die man bei Lumas kaufen kann, sind deshalb zwischen 75- und 200-mal aufgelegt. Die Preise liegen somit zwischen 100 und 400 Euro. Zu den Künstlern im Programm von Lumas gehören u. a. der unverkennbare Schüler der Düsseldorfer Akademie-Altmeister Bernd und Hilla Becher. Er bietet eine Serie von Hochbunkern, welche die Präzision der Architekturfotografie seiner Lehrer zitiert, aber in die Farbfotografie überführt. Mit dem gleichen visuellen Strukturalismus präsentiert er Ackerfurchen und angeschwemmte Kiesel am Strand. Stefanie Schneider fotografiert mit abgelaufenem Polaroidmaterial Motive, die an amerikanische B-Movies erinnern. Vier Schüler von Thomas Ruff stellen ihre Vielseitigkeit vor.

Andere Künstler arbeiten ohne Kamera, zeigen Fotogramme. Rein digitale Bilder sind auch dabei. Porträts, Landschaften, Fotomontagen. Von narrativ bis abstrakt, von kleinformatig bis wandfüllend. Und wer klingende Namen will, bekommt auch hochpreisigere Stücke von den Bechers, Candida Höfer oder Jürgen Teller, in Zusammenarbeit mit eingesessenen Editionsgalerien. Was dabei herauskommt, wirkt wie eine Postergalerie. Auf zwei Etagen präsentiert Lumas mehr als zwanzig Künstler und Künstlerinnen. Der Titel „Sehnsuchtsbilder“ beschreibt kein nachvollziehbares Ausstellungskonzept. Was gefällt, wird gehängt. Aber Lumas versteht sich eben auch nicht als Galerie, sondern eher als Kunsthandlung für das niedrigere Preissegment. Wer also ebenfalls die Konfrontation mit Galeristen und Künstlern scheut oder längst begriffen hat, dass Kunst eben auch eine Ware ist, der mag bei Lumas an der richtigen Adresse sein. Fotografien en gros für die zeitgemäße Einrichtung von Arztpraxen, Anwaltskanzleien oder Büroetagen.

Ob es jungen Fotografen allerdings gut tut, sich dem Ausstellungskonzept der Beliebigkeit zu unterwerfen, sei dahingestellt. Über die Positionierung am Markt muss sich jeder Künstler früher oder später selbst klar werden. Potenziellen Sammlern jedoch, die sich fragen, wieweit eine 200er-Auflage noch vom Kunstdruck entfernt ist, könnten zu Walter Benjamins mittlerweile etwas antiquierter Schmähschrift über Kunstwerke im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit greifen und über das Auratische des Originals nachgrübeln. Denn Unikate müssen nicht zwangsläufig teuer sein, die Suche nach ihnen gestaltet sich nur anstrengender.

MARCUS WOELLER

Lumas Editionsgalerie Berlin, Oranienburger Str. 1–3, aktuelle Ausstellung bis 16. März: „Night on Earth“, mit u. a. Thomas Anschütz, Andreas Müller-Pohle, Naruki Oshima, David Steets