Kitas kapitulieren nur symbolisch

PERSONALMANGEL Weil sie zu wenige ErzieherInnen haben, können Kitas das anspruchsvolle Bildungsprogramm des Senats nicht umsetzen. Deshalb geben sie es nun zurück – obwohl eigentlich alle das Programm gut finden

„Wir finden die gestiegenen Anforderungen gut. Aber die Ausstattung muss stimmen“

MARIA LINGENS, AWO

VON ALKE WIERTH

Mit einer symbolischen Aktion wollen Eltern, ErzieherInnen und Gewerkschaft an diesem Dienstag auf den Personalmangel in Berlins Kitas aufmerksam machen: Sie geben dem Bildungssenator das Berliner Bildungsprogramm (BBP) zurück.

Das 2005 vom Senat beschlossene, 130 Seiten starke Programm formuliert Grundsätze und Ziele der pädagogischen Arbeit in den frühkindlichen Bildungseinrichtungen. Die Kitaträger schließen auf dieser Grundlage Qualitätsvereinbarungen mit der Senatsbildungsverwaltung ab, die sie zur Umsetzung des Bildungsprogramms verpflichten. Dabei seien sie allerdings, heißt es im Aufruf, davon ausgegangen, „dass der Senat seine Verpflichtungen zur Überprüfung der Personalsituation ebenso einhält“. Dies sei aber nicht der Fall: „Die Personalausstattung in den Kitas ist seit dreißig Jahren nicht verbessert worden“, heißt es in dem Aufruf weiter. Derzeit betreut in Berlin eine Erzieherin im Schnitt 18 Kinder.

Mehr Erziehung kostet

Zu der Rückgabeaktion ruft das Berliner Kitabündnis auf, ein Zusammenschluss von öffentlichen und freien Kitaträgern, VertreterInnen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie ElternvertreterInnen. Die Aktion sei jedoch keine Aufkündigung der Qualitätsvereinbarungen mit dem Senat, sagt Maria Lingens vom Kita-Träger AWO: „Wir stellen die Arbeit nach dem Bildungsprogramm ja nicht ein“, so Lingens zur taz. „Wir machen nur darauf aufmerksam, dass wir sie mit unseren derzeitigen Arbeitsbedingungen nicht umsetzen können.“

Das Problem: Bei gleichem Personalschlüssel verlangt das Bildungsprogramm den ErzieherInnen erheblich mehr ab. So müssen sie Sprachlerntagebücher für jedes Kind führen und auch dessen Entwicklungsschritte schriftlich dokumentieren, um auf dieser Grundlage regelmäßig Gespräche mit den Eltern zu führen. „Wir finden die gestiegenen Anforderungen gut“, so Lingens. „Aber die Personalausstattung muss stimmen.“

Dass das in vielen Kitas nicht der Fall ist, zeigen die Ergebnisse einer Umfrage, die der Landeselternausschuss Kita (LEAK) im März veröffentlichte: Ein Drittel der Eltern, deren Kinder Kitas besuchen, kennt das Berliner Bildungsprogramm demzufolge nicht. 20 Prozent haben noch nie etwas von dem Sprachlerntagebuch. Vergangene Woche präsentierte der LEAK das Ergebnis einer weiteren Umfrage unter 2.377 Eltern: Neun von zehn ist eine Verbesserung der Bildungsqualität wichtiger als der Wegfall der Elternbeiträge zu den Kitakosten.

Der LEAK stellt sich damit gegen die Pläne des Senats, außer dem letzten Kitajahr künftig noch zwei weitere Jahre gebührenfrei zu stellen. Das dafür aufgewendete Geld solle in eine Verbesserung der Personalausstattung der Kitas investiert werden. Der LEAK unterstütze deshalb die Aktion des Kitabündnisses, sagt der Vorsitzende Burkhard Entrup: „Denn der Senat hat mit dem Bildungsprogramm den Eltern ja etwas versprochen: es umzusetzen!“, so Entrup. Dass die meisten Eltern bereit seien, zugunsten guter Bildung auf den Wegfall der Kitagebühren zu verzichten, zeige, welchen Stellenwert frühkindliche Bildung für sie habe. „Der Senat soll Entscheidungen zum Wohle der Kinder und nicht für das Portemonnaie der Eltern treffen“, so Entrup.

Rege Beteiligung an ihrer Aktion erhoffen sich die Veranstalter nicht zuletzt, weil der bundesweite Kitastreik Aufmerksamkeit für ihr Thema erzeugt hat. Dabei hat der mit Berlin gar nichts zu tun: Das Land ist bereits vor sechs Jahren aus dem Tarifverband kommunaler Arbeitgeber ausgetreten.

■ Kita-Aktion Dienstag, 15.30 Uhr vor der Senatsbildungsverwaltung, Beuthstr. 6–8