Zeitung für ein Jahr

MEDIENFORUM NRW Jürgen Rüttgers schenkt Abos und Meinungsmacht

Zum Auftakt des Medienforums NRW gab Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) Nicolas Sarkozy à la NRW: Frankreichs Präsident spendiert bekanntlich jedem Landsmann zum 18. ein einjähriges Gratis-Abo. NRW zieht jetzt eine Nummer kleiner nach: Ab September erhalten alle neunten Klassen für ein Jahr Tageszeitungen. Zwar ist bislang unklar, wer den Spaß bezahlt, doch die Verleger erfreut Rüttgers damit – mal wieder: Das neue Mediengesetz, das der Landtag im Herbst beschließen soll, ermöglicht endlich den Traum vom multimedialen Monopol. Dann dürften die Verlage unter bestimmten Bedingungen lokale und regionale Privatsender ganz übernehmen, bislang war bei 30 Prozent Schluss.

Rüttgers will so die „stolze Zeitungslandschaft in NRW“ erhalten – und außerdem sind am 30. August Kommunalwahlen und im Jahr 2010 Landtagswahlen. „Eine Liberalisierung darf aber nicht auf Kosten der Vielfalt gehen“, sagt Rüttgers – und nicht nur die Grünen halten das für geheuchelt. Denn ein lokales Multimedia-Monopol ist genau das, was das Verfassungsgericht als „vorherrschende Meinungsmacht“ ablehnt. Bei den Grünen bestehen also „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“, sagt deren Medienexperte Oliver Keymis. Zu diesem Schluss kommt auch ein Gutachten.

Dass im neuen digitalen Durcheinander Meinungsmacht ohnehin schwer zu definieren sein wird, hatte schon ganz zu Beginn der Veranstaltung Norbert Schneider von der Landesmedienanstalt NRW wie immer unnachahmlich in Worte gegossen: „Meinungsmacht hat sich in noch unerforschte Datenhöhlen zurückgezogen. Aktiv und möglicherweise vorherrschend wird sie erst on demand“, so Schneiders neues Höhlengleichnis: „Auf der Suche nach einer neuen Medienordnung muss man erst einmal diese Datenhöhlen finden. Und dabei lernen, dass anders als bei üblichen Höhlenwanderungen in diesem Fall auch die Höhlen wandern.“ STG