Benkovic wird zum Günstling des Windes

Ein 18-jähriger Slowene wird überraschend und dank der äußeren Bedingungen Weltmeister auf der kleinen Schanze

OBERSTDORF taz ■ Es passiert im Skispringen immer mal wieder, dass äußere Einflüsse einem bislang unbekannten und im Mittelmaß springenden Athleten bei einem Großereignis Glück bringen und zum Titel verhelfen. 1972 zum Beispiel wurde ein Pole mit dem schönen Namen Wojciech Fortuna in Sapporo Olympiasieger, doch die damals vom Wind begünstigten Flüge konnte er nie mehr wiederholen. 2002 bei Olympia wiederum gewann der Schweizer Simon Ammann zweimal Gold. Davor und auch danach tat er sich hingegen schwer mit Erfolgen.

Nicht, dass man Rok Benkovic eine solche Einmaligkeit seines Erfolgs wünschen würde, doch bevor er am Samstag in Oberstdorf Weltmeister auf der kleinen Schanze wurde, war auch er nicht weiter aufgefallen. Freilich, in seiner Heimat Slowenien galt der erst 18-Jährige als hoffnungsvolles Nachwuchstalent, doch im Weltcup tat er sich bisher schwer.

Nun aber ist er Weltmeister. Und glauben konnte auch er selbst diesen Erfolg noch Minuten nach seinem letzten Sprung nicht. Die Gewissheit, dass er gewonnen hatte, stellte sich erst ein, als er auf dem Siegerpodest den Platz ganz oben einnehmen durfte. „Da ist mir klar geworden, was das jetzt alles bedeutet.“

Es bedeutete das Ende eines kuriosen Springens, in dem der Wind zu Beginn des ersten Durchgangs beim Erstellen der Ergebnisliste kräftig mitwirkte und viele Favoriten straucheln ließ. Benkovic hingegen zählte zu einer Gruppe, die äußerst gute Windbedingungen genoss. Nach dem ersten Durchgang lag er in Führung – und im Finale entwich die Spannung: Weil Rückenwind herrschte, sprangen fast alle Starter in den Weitenbereich von 89 bis 92 Meter. Nur Jakub Janda, Siebter nach dem ersten Durchgang, konnte sich deutlich verbessern und wurde dafür mit Silber belohnt. Bronze gewann der favorisierte Janne Ahonen (Finnland). Benkovic wiederum konnte sich nach 101 m im ersten Durchgang einen bescheidenen zweiten Versuch auf 91 m leisten – und blieb immer noch vorne.

Dennoch darf man nicht vergessen: Er hätte auch abstürzen können, dann nämlich, wenn sein Nervenkostüm zu schwach gewesen wäre, um bei einer WM als Letzter in die Spur zu gehen. „Mich hat unwahrscheinlich überrascht, wie er die Ruhe bewahrt hat zwischen den beiden Sprüngen“, lobte Matjaz Zupan, der slowenische Trainer.

Vor acht Jahren, also schon mit zehn, begann Benkovic mit dem Skispringen, und eigentlich stand die Logistik der Entfaltung seiner Begabung im Weg, war die nächste Trainingsmöglichkeit in Kranj doch 40 km von seinem Heimatort entfernt. Doch dann wurde in Menges ein Trainingszentrum eröffnet, und er musste nur zehn Kilometer gefahren werden. Ansonsten weiß Benkovic nichts Außergewöhnliches über sich zu erzählen: Er spielt gerne Gitarre, besucht die 13. Klasse des Gymnasiums, findet es Klasse, dass seine Mutter ihn unterstützt, und er hat – natürlich – nicht mit diesem Erfolg gerechnet: „Ich weiß überhaupt nicht, wie das passiert ist.“

Sein Vorbild hieß lange Primoz Peterka. Der hat auch schon als Teenager große Erfolge gefeiert, neben dem Gesamtweltcup auch die Vierschanzentournee gewonnen. Diese Erfolge gehören längst der Vergangenheit an, mit dem Weltmeistertitel hat Benkovic sein Idol, das in Oberstdorf 32. wurde, beerbt – und so ganz nebenbei auch noch Streitereien im slowenischen Skiverband beendet. Trainer Zupan war nämlich bei der Vierschanzentournee in Innsbruck schon kurzzeitig zurückgetreten, die Vorschläge einiger Verbandsgewaltigen zur Steigerung des Erfolgs haben ihm nicht gefallen. Auf Druck der slowenischen Ski-Vereine übernahm er nach wenigen Tagen wieder seinen Posten, seither wartete Zupan auf Erfolge. Der günstige Wind in Oberstdorf hat ihm nun einen solchen zugeweht. KATHRIN ZEILMANN