EINE HISTORISCHE ENTSCHEIDUNG UND IHR POLITISCHER PREIS
: Scharon bietet für jeden etwas

Die Kabinettsentscheidung über die Auflösung jüdischer Siedlungen ist zwar nur ein formaler Schritt, doch voller Bedeutung. Zum ersten Mal sprechen sich die Minister in Jerusalem mehrheitlich für eine Umsiedlung von Juden aus, weg aus dem besetzten Gebiet und hin nach Israel. Weder in den Vereinbarungen von Oslo noch in irgendeinem gemeinsamen Papier von Israelis und Palästinensern war davon bislang die Rede. Im Gegenteil: Alle israelischen Regierungen, die „nach Oslo“ ins Amt kamen, ob links oder rechts, bauten bestehende Siedlungen aus und neue dazu.

Jetzt wird ein Teil geräumt, der im besetzten Land liegt und dessen Erhaltung sich als politisch, militärisch und wirtschaftlich zu teuer herausgestellt hat. Wo immer solche Bedingungen bestehen, ist auch künftig mit Bewegung auf israelischer Seite zu rechnen. Doch die historische Ratifizierung von Premierminister Ariel Scharons Plan wird überschattet vom Beschluss, die israelischen Trennanlagen zu erhalten. Ihr neuer Verlauf schließt bereits eine mittelgroße jüdische Stadt im Palästinensergebiet sowie einen weiteren Siedlungsblock ein. Die doppelte Entscheidung kann Scharon hoffen lassen, die Kritiker im eigenen Lager zu besänftigen; im Regierungspaket ist für jeden etwas dabei.

Auch für die Zukunft ist die Strategie klar: Gefährdete, isolierte Siedlungen werden aufgelöst, Siedlungsblöcke bleiben erhalten. Nichts anderes sahen die Friedensangebote von Alt-Premierminister Ehud Barak in Camp David vor, und sogar die „Genfer Initiative“, der bislang einzige Entwurf einer Friedenslösung, dem Politiker beider Seiten zustimmten, hält einen Landtausch zum Erhalt von Siedlungsblöcken fest.

Doch weder die Siedlungen noch der endgültige Grenzverlauf brachten Camp David zum Scheitern, sondern der künftige Status des jetzt geteilten Jerusalems sowie das von den Palästinensern geforderte Rückkehrrecht der Flüchtlinge. Diese beiden Knackpunkte des Konflikts bleiben dort, wo sie schon vor elf Jahren waren – am Ende des Friedensprozesses. SUSANNE KNAUL