: Wilde Ehe kann vor Hartz IV schützen
Das Düsseldorfer Sozialgericht erklärt, unverheiratete Empfänger von Arbeitslosengeld II müssen sich das Einkommen ihrer Partner nicht anrechnen lassen. Begründung: Sie tragen keine Verantwortung „in den Not- und Wechselfällen des Lebens“
BERLIN afp/rtr ■ Das Hartz-IV-Gesetz ist möglicherweise in mehreren Punkten verfassungswidrig. Das Düsseldorfer Sozialgericht entschied in einer bisher nicht veröffentlichten einstweiligen Anordnung, dass die Anrechnung von Partnereinkommen bei unverheirateten Paaren gegen das Grundgesetz verstößt. Wie Bild am Sonntag berichtete, hatte eine arbeitslose Frau geklagt, die bei einem berufstätigen Mann lebt. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte dazu am Samstag: „Wir sind der festen Überzeugung, dass das Hartz-IV-Gesetz verfassungsgemäß ist.“ Ein anderes Sozialgericht bemängelte unterdessen Vorschriften zur Sozialversicherung für Arbeitslose.
In dem Düsseldorfer Fall hatte die zuständige Arbeitsagentur den Antrag der Frau auf Arbeitslosengeld II abgelehnt, weil der Mann nach dem Hartz-IV-Gesetz mit seinem Einkommen die bei ihm lebende arbeitslose Frau unterstützen müsste. Das Sozialgericht zwang die Arbeitsagentur nun aber per einstweiliger Anordnung, der Frau doch Arbeitslosengeld II zu zahlen. Zur Begründung hieß es, die Anrechnung von Vermögen und Einkommen bei nicht verheirateten heterosexuellen Paaren sei verfassungswidrig, weil sie nach Hartz IV bei homosexuellen Lebensgemeinschaften nicht vorgesehen sei. Dies sei ein verfassungsrechtlich unzulässiger Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz von Artikel 3 Grundgesetz (Az. S 35 SO 28/05 ER).
Außerdem sei die bisher praktizierte generelle Anrechnung von Partnereinkommen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nach Überzeugung des Gerichts rechtswidrig. Das sei nur möglich, „wenn zwischen den Partnern so enge Bindungen bestehen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann“. Davon aber könne die Behörde nicht bei jeder „wilden Ehe“ ausgehen.
Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte, im Hartz-IV-Gesetz werde anders als in dem BamS-Bericht dargestellt kein Unterschied zwischen homosexuellen und heterosexuellen Lebensgemeinschaften gemacht. Der Sprecher kündigte an, das Ministerium werde das Urteil nach seiner Veröffentlichung eingehend prüfen.
Das Sozialgericht Saarbrücken gab nach einem Bericht der Saarbrücker Zeitung unterdessen in einer einstweiligen Anordnung einem Arbeitslosen Recht, der die Zahlung von einem Cent Arbeitslosengeld II verlangt hatte. Damit wolle der Mann erreichen, dass er weiter in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert bleibt, heißt es unter Berufung auf eine bereits am 28. Januar ergangene Eilentscheidung (Az. S 21 ER 1/05 AS). Gegen eine anderslautende Anordnung von Wirtschaftsminister Clement bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.