Patientin stirbt nach Tollwut per Organspende

Eine 26-jährige Indien-Touristin kommt nach ihrer Heimkehr plötzlich zu Tode. Ihre Organe sollen Leben retten und werden sechs Kranken eingepflanzt. Jetzt ist die erste Empfängerin tot. Und die Ärzte fordern einen Tollwut-Schnelltest

BERLIN taz ■ Die mit Tollwut infizierte Patientin in Hannover ist tot. Über eine gespendete Lunge hatte sie sich mit dem Virus angesteckt, am Samstagabend versagte ihr Herz. Bis zuletzt hatten die Ärzte versucht, mit einer neuen Therapie ihr Leben zu retten. Nun starb die Frau, bevor die Arzneien wirken konnte.

Sie ist Opfer eines in Deutschland bis dato einmaligen Leidens: Ein Mensch steckt sich über ein Spenderorgan mit Tollwut an. Direkte Todesursache aber war dies offenbar nicht. Die Frau sei an einer Herzmuskelentzündung oder an einer Abstoßung gestorben, gab gestern Martin Strüber von der Medizinischen Hochschule Hannover bekannt. Dass der Körper der Frau die neue Lunge nicht akzeptierte, könne aber eine Tollwut-Folge sein. Spezialisten der Hochschule fordern, einen Tollwut-Schnelltest zu entwickeln.

Insgesamt sechs Patienten hatten Organe einer mit Tollwut infizierten Spenderin erhalten. Nur drei sind bislang wohlauf, zwei aber ringen mit dem Tod: Ein Mittvierziger in Marburg sowie ein 70-jährige Detmolder, der eine Niere erhalten hatte.

Ihre Chancen stehen schlecht. Eine Tollwut-Impfung wirkt nur, solange die Menschen noch keine Symptome zeigen. Bricht die Krankheit aus, so sterben die Patienten meist innerhalb einer Woche. Die Ausnahme von der Regel beschränkt sich auf einen einzigen Fall: Im November gelang es in den USA erstmals, eine Jugendliche ohne Impfung zu retten. Ärzte einer Kinderklinik im Bundesstaat Wisconsin hatten das Mädchen mit einem neuartigen Arzneiencocktail kuriert.

Ob dies aber mehr ist als eine wundersame Heilung, ist ungewiss. Noch hat sich die Methode in keinem anderen Fall bewährt. Dass die Mediziner sie jetzt dennoch bei den deutschen Tollwut-Opfern anwenden, ist aus der Not geboren: Eine alternative Therapie ist nicht bekannt.

Noch ist unklar, ob die Tollwut-Fälle juristische Folgen haben werden. Die Mainzer Staatsanwaltschaft prüfe derzeit, ob sie Ermittlungen aufnehme, so Behördensprecher Klaus Puderbach. Zunächst aber warte man ein Gutachten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) ab. Es soll klären, ob die Ärzte fahrlässig handelten.

In der Tat war die Organspenderin kurz vor ihrem Tod an mehreren Kliniken behandelt worden. Sie klagte über starke Kopfschmerzen und Depressionen. „Das aber passt zu jedem, der irgendeine Hirnschädigungung hat“, sagt DSO-Vorstand Günter Kirste. Die Frau starb an Herzversagen nach Drogenkonsum. Dass die Ärzte die Symptome nicht als Tollwut deuteten, ist auch der Statistik zu schulden: Tollwut ist in Deutschland extrem selten. Umfangreiche Impfkampagnen an Wildtieren erwiesen sich als erfolgreich, ebenso die Praxis, Patienten nach einem Fuchs- oder Fledermausbiss sogleich zu impfen. Tollwut ist nun eine Gefahr, die Deutschen eher in fernen Kontinenten droht. Der aktuelle Fall passt ins Bild: Offenbar hat sich die Frau bei einer Indien-Reise mit dem Erreger infiziert.

COSIMA SCHMITT