Petersilie zerzaust

Sie ist die erste und bisher einzige Frau in der Herrenrunde deutscher Provinzpotentaten. Die Landtagswahl war auf sie zugeschnitten. Jetzt hat Heide Simonis kräftig verloren

KIEL taz ■ Gestern Abend ging es in Kiel wieder in Richtung Männerclub. Und auch für die Ministerpräsidentenkonferenz, wo sich die Regierungschefs der Länder regelmäßig treffen, bedeutete das Ergebnis: Herrenrunde. Heide Simonis war erste und bisher einzige Ministerpräsidentin in Deutschland. „Petersilie auf der männlichen Fleischplatte“, so hatte sie selbst selbst ihre Rolle als einzige Frau im politischen Männerbetrieb einst genannt.

Getreu dem Credo „Provokation bringt Leben in die Bude“ sorgte die 61-Jährige mit ihren Spitzen und Querschüssen in schöner Regelmäßigkeit für Aufruhr in der Branche. Das lose Mundwerk brachte der SPD-Politikerin bei weitem nicht nur Feindschaften ein, im Gegenteil.

Das hätte sich die Beamtentochter aus dem Rheinland vermutlich auch nicht erträumt, als sie 1971, zwei Jahre nach dem Eintritt in die SPD, ihren ersten Sitz im Kieler Stadtrat ergatterte. Es war der bescheidene Anfang einer politischen Ausnahmekarriere. 1976 zog Simonis als jüngste Abgeordnete in den Bundestag ein. Die studierte Volkswirtin ließ sich nicht mit einem Sitz in einem B-Liga-Ausschuss abspeisen, sie sicherte sich schnell einen Platz im mächtigen Haushaltsausschuss – als einzige Frau.

Die einzige Frau unter Dutzenden Männern, Konkurrenten: Das sollte ein Leitmotiv ihrer Polit-Laufbahn bleiben. Sie lernte die Lektionen. Zum Beispiel: Männlichen Kollegen keinen Anlass geben, sich über die Optik zu mokieren. Also: „Nicht zu aufdringlich geschminkt sein! Nicht in zu engen Kleidern oder zu kurzem Rock erscheinen!“

Kein Wunder, dass sich Simonis schwer tat mit dem Etikett der „Landesmutter“. Fünf Jahre hatte die Beamtentochter als Finanzministerin im Kieler Kabinett von Björn Engholm gedient, da musste sie ihren über die „Schubladenaffäre“ gestrauchelten Chef im Mai 1993 ersetzen. „Landesmutter“, räumte sie später ein, „das klang für mich so bieder und gediegen.“

Diese Wahlen sollten ihr letzter Versuch sein, sie wollte es allen noch einmal zeigen. Mit einer auf sie zugeschnittenen Kampagne. Immerhin mit ihrer One-Woman-Show hat sich Simonis länger im höchsten Staatsamt Kiels gehalten als irgendein Vorgänger. Und natürlich hat eine wie Simonis auch längst den passenden Spruch geliefert: Um wirklich glücklich zu sein, brauche sie keinen Erfolg, versicherte die Politikerin einst – „der Teller mit Nudeln reicht auch aus“. Guten Appetit!

ASTRID GEISLER