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: Falsche Demo am richtigen Ort

Demonstranten können in Deutschland ihren Versammlungsort im Wesentlichen frei auswählen. Wer mit dem Bürgermeister nicht einverstanden ist, kann vors Rathaus ziehen. Und wer die deutsche Vergangenheitsbewältigung übertrieben findet, könnte seine Kundgebung theoretisch auch am Holocaust-Mahnmal abhalten. In dieser Woche will der Bundestag allerdings ein Gesetz beschließen, das diese Freiheit beschränkt. An Gedenkstätten für NS-Opfer sollen keine Demonstrationen mehr stattfinden, die die Opfer des NS-Regimes verhöhnen.

KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH

Manchen Abgeordneten geht die Einschränkung nicht weit genug. Sie haben Angst, dass die NPD dann mit vermeintlich unverfänglichen Themen zum Holocaust-Mahnmahl zieht und zwischen den Stelen zum Beispiel gegen Hartz IV demonstriert. Diese Angst ist vermutlich unbegründet. Auch wenn der rot-grüne Gesetzentwurf zu Recht kein generelles Demonstrationsverbot an Gedenkstätten vorsieht – denn dann wären ja sogar antifaschistische Kundgebungen ausgeschlossen –, so läge bei einer Hartz-IV-Demonstration doch eine Verhöhnung der Opfer nahe. Denn hier würde das Mahnmal zum Ort x-beliebiger Kundgebungen gemacht, es ginge um den bloßen Skandal. Doch was als Provokation am Brandenburger Tor zulässig bleiben muss, muss an einer Holocaust-Gedenkstätte, die zu Recht einen gewissen Würdeschutz erhält, zurückgewiesen werden.

Umgekehrt sollten sich die Abgeordneten aber nicht zu sicher sein, dass sie mit dem geplanten Gesetz die für den 8. Mai beabsichtigte NPD-Demonstration „Schluss mit dem Schuldkult“ vom Mahnmal fern halten können. Möglicherweise schafft die NPD es ja, einen Demo-Aufruf zu verfassen, der das Leiden der Opfer anerkennt und nur die Art der deutschen Vergangenheitspolitik kritisiert – zuzutrauen wäre es ihnen, wo sie in Dresden schon das Symbol der weißen Rose übernahmen. Dann aber läge nach dem geplanten Gesetz wohl kein Verbotsgrund vor.

Im Gegenteil, das Mahnmal wäre als Ausdruck der herrschenden Aufarbeitungskultur eher ein besonders nahe liegender Ort für eine derartige Demonstration. Unter Verweis auf die Würde der Opfer kann man Hetze und Politklamauk verbieten, nicht aber eine ernsthafte politische Auseinandersetzung. Sonst sind bald auch am Krieger-Denkmal auf dem Marktplatz keine antimilitaristischen Veranstaltungen mehr möglich.

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