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: Evi wird blau

Die deutsche Frauen-Staffel muss sich mit Rang vier begnügen. Norwegen, Russland und Italien holen die Medaillen

Blau ist die Farbe der Blutkörperchen, wenn sie den Sauerstoff abgegeben haben und in den Venen auf dem Rückweg sind zum Herzen, leer und ausgepumpt. „Ich war so blau“, sagte die Ski-Langläuferin Evi Sachenbacher gestern bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Oberstdorf, und sie meinte: leer und ausgepumpt. So schleppte sie sich ins Stadion, hin zu Claudia Künzel, der deutschen Schlussläuferin in der 4x5-Kilometer-Staffel. Im Herzen der Oberstdorfer Langlauf-Loipen kam Evi Sachenbacher 27 Sekunden hinter den führenden Läuferinnen an, als Fünfte. Claudia Künzel sagte später, da habe sie schon keine Chance mehr gesehen, geschweige denn den Rücken einer Konkurrentin vor ihr. Die Oberwiesenthalerin überholte immerhin noch eine Tschechin, in Medaillennähe aber kam sie nicht mehr. Die Weltcup-Führende Marit Björgen sicherte mit ihrem Angriff am letzten Berg den Titel für Norwegen, die Russinnen wurden Zweite, die Italienerinnen Dritte.

Evi Sachenbacher, 24, aus Reit im Winkl, ist damit zur tragischen Figur dieser Titelkämpfe im eigenen Land geworden; weil sie nicht in Bestform war, ist sie extra geschont worden für dieses Staffelrennen. Und sie weckte auch durchaus Hoffnungen, als sie in ihrer zweiten Runde gemeinsam mit der Norwegerin Kristin Steira zur führenden Russin Jewgenia Medwedewa-Abruzowa aufgeschlossen hatte. „Aber das hat so viel Kraft gekostet, meine Beine waren brutal schwer am letzten Anstieg“, sagte Sachenbacher und musste schmerzlich erkennen: „Das war’s dann halt.“

Auf den letzten zwei Kilometern verlor sie besagte 27 Sekunden, die Hälfte allein auf den letzten 200 Metern. „Evi hat’s probiert, sie hat was riskiert, aber ihre Kraft hat halt nicht gereicht“, sagte Bundestrainer Jochen Behle, der die einstige Vorzeige-Läuferin des Deutschen Skiverbandes(DSV) ebenso wenig öffentlich kritisierte wie ihre Staffelkolleginnen. „Sie hat tapfer gekämpft, es lässt ja niemand absichtlich den Kontakt abreißen“, sagte Viola Bauer, die als zweite Deutsche ins Rennen gegangen war, hinter Steffi Böhler und vor Sachenbacher. Bauer sagte über ihren Teilabschnitt: „Das dürfte mein bestes Staffelrennen gewesen sein, ähnlich wie in Salt Lake City“ bei den Olympischen Winterspielen 2002.

Damals hatte das DSV-Quartett die Goldmedaille gewonnen, ebenso ein Jahr später bei den Weltmeisterschaften in Val di Fiemme. In Oberstdorf hatten die Frauen von Start an nicht mehr erhofft als Bronze; Norwegen und Russland schienen übermächtig. Die Verschiebung der Kräfteverhältnisse habe sich schon im vorigen Winter angedeutet, sagte Claudia Künzel, „da ist es bloß nicht so aufgefallen, weil keine WM war“. Nun ist eine, und da fällt auch den größten Optimisten auf, dass das deutsche Langlauf-Hoch sich allmählich verflüchtigt. Auch im fünften Wettbewerb hat das Team von Bundestrainer Jochen Behle noch keine Medaille gewonnen, und über Oberstdorf sammeln sich die dunklen Wolken. Grau ist die Farbe des Himmels, und mittlerweile auch die des Gesichts von Jochen Behle. Er soll das Tief erklären – und kann es nicht.

JOACHIM MÖLTER