Silber verleiht Flügel

Nach dem zweiten Platz im Teamwettbewerb macht sich unter Deutschlands Skispringern Erleichterung breit. Vor allem Martin Schmitt dürfte der Erfolg zu neuem Selbstvertrauen verhelfen

AUS OBERSTDORF KATHRIN ZEILMANN

Und plötzlich war Martin Schmitt wieder der Star: Mit lässig frisierten Haaren betrat er das deutsche Haus in Oberstdorf, hinter ihm schritt seine fein zurechtgemachte Freundin, die Kameras waren auf ihn gerichtet, das Blitzlichtgewitter der Fotografen setzte ein. Schmitt hatte mit dem deutschen Team bei der WM in Oberstdorf Silber auf der Normalschanze hinter Österreich gewonnen. Er war der Stärkste der Mannschaft, sprang in seiner Gruppe jeweils Bestweite. Nun durfte er auf diesen Erfolg anstoßen und Erklärungen abgeben. Er stand wieder im Mittelpunkt, so wie in den Jahren 1998 bis 2001, als er der beste Skispringer der Welt war. Damals allerdings wäre ein zweiter Rang einer Enttäuschung gleichgekommen.

Doch im Jahr 2005 sind die Vorzeichen anders. Schmitt, 27, hatte peinliche Niederlagen hinter sich, zuweilen war schon die Qualifikation für den Weltcup eine zu große Hürde für ihn. Die Silbermedaille aber war nun dank seiner hervorragenden Leistung gewonnen worden. Schmitt sagte: „Diese Medaille ist etwas ganz Besonderes, weil es vorher so schlecht gelaufen ist.“

Statt eines frohen Blicks nach vorne übte er sich dennoch erst einmal in Vergangenheitsbewältigung. Es ist ja auch eine ganze Menge passiert im Skisprunglager, ehe ein so schöner Erfolg gefeiert werden konnte: Cheftrainer Wolfgang Steiert im Oktober entlassen, Peter Rohwein mit der schwierigen Aufgabe betraut, die desolat springenden Athleten zu einer erfolgreichen WM zu führen. Nun lobte Schmitt Rohweins Konzepte, seine Pläne und „seine klaren Vorstellungen im Kopf“. Was auch bedeutete: Mit Steiert, immerhin bis Oktober verantwortlich für Schmitt und Kollegen, war es anders. „Vielleicht hat er ein bisschen die Linie verloren“, überlegte Schmitt.

Auch die Fehler, die er selbst gemacht hat, beschäftigen ihn immer noch. Eine falsche Position in der Anlaufspur habe er sich angewöhnt, auch falsch abgesprungen sei er. Alles Fehler, die er in mühsamen Trainingseinheiten zu beheben versuchte. Und selbst im Glanz der Silbermedaille konnte der Schwarzwälder die lange Zeit der Misserfolge und der schlechten Sprünge nicht einfach so ad acta legen: „Das ist schon ans Selbstbewusstsein gegangen.“ Nun aber wecken die guten Resultate bei dieser WM neue Begehrlichkeiten; es trifft ihn sogar die Frage, ob er in diesem Winter noch gewinnen könne. Schmitt wiegt ein wenig den Kopf hin und her und sagt: „Na ja, ich will stabile Sprünge zeigen. Wichtig für mich ist, zu sehen, dass es geht.“

Die Erleichterung war in der ganzen deutschen Mannschaft spürbar: Peter Rohwein berichtete, wie schwer es sei, Cheftrainer der Skispringer in Deutschland zu sein, weil es zuletzt doch arge Kritik gehagelt habe, die er von seinen Athleten fern halten wollte. Jetzt habe sich erwiesen, dass er damit richtig gehandelt habe, auch mit der WM-Nominierung Schmitts, die viele im Vorfeld nicht nachvollziehen konnten. Auch Michael Uhrmann, Georg Späth und Michael Neumayer sehen ihren Traum von der WM-Medaille erfüllt, was für den weiteren Verlauf der WM bestimmt kein Schaden sein wird. Erleichterung kann schließlich neue Kräfte freisetzen, weil die Schultern von der Last des Drucks befreit sind und es sich dann vielleicht noch leichter springt.

Am Freitag messen sich die Springer auf der Großschanze, die Teamkonkurrenz findet am Samstag statt. „Ich muss mich da erst wieder zurechtfinden“, sagt Martin Schmitt. In der Tat könnten die Flüge von der großen Anlage schwieriger für ihn werden. Seine Trainingseinheiten hat er nämlich meist auf kleinen Schanzen absolviert; auch das ist vermutlich ein Grund dafür, dass es für Schmitt so gut gelaufen ist auf der Oberstdorfer Kleinschanze. Andererseits findet Rohwein: „Wenn das Selbstbewusstsein wieder da ist und die technische Stabilität, dann ist es egal, auf welcher Schanze man springt.“