„Für Simonis wird es jetzt entspannter“

Tolerierung ist möglich, meint Reinhard Höppner, langjähriger Ministerpräsident einer tolerierten Regierung

taz: Herr Höppner, kommen auf Heide Simonis harte Zeiten zu?

Reinhard Höppner: Nein, im Gegenteil. Für eine Ministerpräsidentin ist eine Minderheitsregierung eigentlich etwas sehr Entspanntes, denn sie ist im Prinzip nicht abwählbar. Ein Misstrauensvotum wird es nicht geben, denn der Tolerierungspartner müsste dann den Kandidaten der Opposition zum Ministerpräsidenten machen, und das ist unwahrscheinlich. Die Nähe der duldenden Partei zur Regierung ist meist groß, auch in Schleswig-Holstein gibt es zwischen dem Wählerverband und Rot-Grün große Gemeinsamkeiten. Das Regieren ist entspannter, denn eine Minderheitsregierung kann eine Abstimmung verlieren, ohne dass die Medien die Regierung gleich vor dem Aus sehen.

Ist es nicht schwierig, dass die zwei Abgeordneten des Wählerverbandes die Regierung platzen lassen können? Haben die beiden überproportional viel Macht?

Diese Macht haben doch auch zwei Abgeordnete der SPD oder der Grünen. Warum soll das beim Wählerverband schlimm sein? Eine Tolerierung läuft de facto auf eine ganz normale Dreierkoalition heraus, in der aber eine Partei keinen Minister stellt. Das ist in Schleswig-Holstein sogar noch einfacher als damals in Sachsen-Anhalt, denn SPD und Grüne müssen sich nicht ideologisch abgrenzen. Den Dulder können die Regierungsparteien auf die gleiche Weise unter Druck setzen, wie sie das untereinander tun.

Aber in dieser Dreierkoalition wird der Wählerverband keine Verantwortung übernehmen und kein Regierungsversprechen abgeben. Damit ist er doch viel ungebundener als die Regierungsparteien und kann auch mal gegen Rot-Grün stimmen, oder?

Die beteiligten Parteien müssen einen Tolerierungsvertrag aufsetzen. In diesem Vertrag sollte die Regierung so viel wie möglich vorher festschreiben lassen. Dann geht die tolerierende Partei nämlich ebenfalls Verpflichtungen ein, an denen die Öffentlichkeit und vor allem ihre Wähler sie messen werden.

In dem Vertrag muss mindestens stehen, dass die Dulder sich in wichtigen Fragen, wie etwa dem Haushalt, zur Zustimmung verpflichten. Dafür bekommen sie die Zusage, dass bei den Fragen, die ihnen besonders wichtig sind, mit ihnen gesprochen wird.

Und mit wem spricht die Ministerpräsidentin als Erstes? Mit dem öffentlichen oder mit dem stillen Partner?

Am praktischsten ist es, wenn die duldende Partei gleich mit im Koalitionsausschuss sitzt, das macht alles einfacher.

Redet sie auch bei Entscheidungen im Bundesrat mit?

Nein, Bundesratsentscheidungen sind Regierungsentscheidungen. Die PDS wollte uns auch immer wieder mal hineinreden, aber das haben wir natürlich nicht durchgehen lassen.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ