Rot-Grün legt Rheinwaschgang ein

Konsequenz aus den Verlusten in Schleswig-Holstein: Vor der Wahl in NRW im Mai wollen SPD und Grüne Visa-Affäre bereinigen. Fischer soll bald aussagen. In Kiel dürfte SPD an der Macht bleiben

BERLIN taz ■ Nach den deutlichen Verlusten für Rot-Grün bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein bekommen die Regierungsparteien in Berlin Druck aus den eigenen Reihen. Die Visa-Missbrauchsfälle, die vor allem Außenminister Joschka Fischer (Grüne) in Erklärungsnot gebracht haben, müssten jetzt so schnell wie möglich aufgeklärt werden, forderten zahlreiche Politiker von SPD und Grünen.

„Ich habe kein Interesse daran, dass das quasi vor sich hin brutzelt bis zum 22. Mai“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) mit Blick auf die eigene Landtagswahl. SPD-Vize Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz empfahl Fischer eine „klare Aussage“. In der Visa-Politik seien Fehler gemacht worden und diese müssten „eingestanden werden“.

Aus den Parteizentralen kamen unklare Signale. „Jeder, der da schnell und zügig aufklären will, hat uns an seiner Seite“, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. Auf einen Termin für eine Aussage Fischers vor dem Visa-Untersuchungsausschuss wollte er sich aber ebenso wenig festlegen wie die Grünen. Die rot-grüne Ausschussmehrheit hatte den CDU-Antrag, Fischer schon im April zu vernehmen, vergangene Woche abgelehnt.

Die Einbußen für die SPD in Kiel, die fast 5 Prozentpunkte verlor, und das enttäuschende Abschneiden der eigenen Partei, die bei 6,2 Prozent der Stimmen hängen blieb, alarmieren jetzt aber auch immer mehr Grüne. Fischer selbst räumte ein, dass die Vorwürfe gegen ihn den Wahlausgang beeinflusst hätten: „Hilfreich war das ohne jeden Zweifel nicht.“ – „Mir wäre es lieb, wenn Fischer möglichst bald aussagt“, erklärte die grüne NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn im taz-Interview. Nach den Beratungen im Parteirat schränkte sie jedoch ein: „Nach dem Procedere eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist das offenbar nicht möglich.“ In grünen Kreisen wurde erwartet, dass sich Fischer demnächst, unabhängig von den Ausschussterminen, ausführlicher als bisher zu den Missbrauchsfällen öffentlich erklären werde. Er habe kurzfristig zugesagt, am Landesparteitag der NRW-Grünen am Wochenende teilzunehmen, hieß es.

Trotz der Verluste für Rot-Grün hofft die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), mit Hilfe der dänischen Minderheitspartei SSW weiterregieren zu können. Die SSW-Vorsitzende Gerda Eichhorn sagte, sie tendiere „eher zu SPD und Grünen“ als zu Schwarz-Gelb. Der Landesvorstand beschloss gestern, grundsätzlich eine Minderheitsregierung zu tolerieren. Die Union warf Rot-Grün vor, auf diese Weise den Wählerwillen zu verfälschen.

LUKAS WALLRAFF

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