Rot-Grün in Düsseldorf zählt Clement an

Kritik an SPD-Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement: Trotz steigender Arbeitslosenzahlen versage dessen Kommunikation. Jetzt will die SPD-Landtagsfraktion Arbeitsmarktpolitik zum Wahlkampfschlager machen

DÜSSELDORF taz ■ In der rot-grünen Koalition wächst die Unzufriedenheit mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Nordrhein-Westfalens Ex-Ministerpräsident gehe nicht offensiv genug mit den immer weiter wachsenden Arbeitslosenzahlen um, ist in Düsseldorf immer öfter zu hören. Clement, der angekündigt hatte, die Arbeitslosigkeit halbieren zu wollen, arbeite an „potemkin–schen Dörfern“ und reagiere „arrogant“ – bei SPD und Grünen wächst die Angst, die Massenarbeitslosigkeit könne zum zentralen Thema des Landtagswahlkampfs werden.

Bundesweit kletterte die Zahl der Arbeitslosen zum Monatsanfang erstmals seit Kriegsende über die Fünf-Millionen-Marke, allein in Nordrhein-Westfalen sind mehr als eine Million Menschen als arbeitssuchend registriert. CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers sagt bereits, Anfang März werde auch die psychologisch wichtige Zahl von 5,5 Millionen Arbeitslosen überschritten.

Wie der SPD-Landesvorsitzende Harald Schartau will deshalb auch die sozialdemokratische Landtagsfraktion die Arbeitsmarktpolitik in das Zentrum des Wahlkampfs rücken, so Sprecher Hans-Peter Thelen zur taz – bei der gestrigen Fraktionssitzung hatten sich die SPD-Abgeordneten von der Chefin der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, Christiane Schönefeld, informieren lassen. „Allein im Doppelhaushalt 04/05 sind mehr als 430 Millionen Euro aus EU- und Landesmitteln für die Förderung von Langzeitarbeitslosen geflossen“, argumentiert Thelen. „Das müssen wir besser vermitteln.“

Wie SPD-Landeschef Harald Schartau, der auch nordrhein-westfälischer Wirtschafts- und Arbeitsminister ist, sorgen sich die Landtagsabgeordneten jetzt um die so genannte EU-Dienstleistungsrichtlinie: Es müsse verhindert werden, dass Unternehmen aus EU-Staaten mit Dumpingpreisen Arbeitsplätze vernichteten. Die Arbeitslosenzahlen seien ein Thema von „archaischer Gewalt“, lägen „dick und fett auf dem Tisch jedes Politikers“, warnt Schartau schon seit Tagen auch in Richtung von Clements Berliner Ministerium.

Das Problem der SPD: Spitzenkandidat Peer Steinbrück setzt dagegen weiter auf das „Top-Thema“ Bildungspolitik. Die Landespolitik könne über die Höhe von Steuern und Sozialtransfers und eben Bildung und Qualifikation nur indirekt auf die Lage am Arbeitsmarkt Einfluss nehmen, glaubt der Ministerpräsident. Wieder einmal prägt eine mangelnde Koordination zwischen Partei, Landtagsfraktion und Regierung das Bild der Sozialdemokraten: „Aktionismus hilft uns nicht weiter“, ist aus der Staatskanzlei zu hören. Doch selbst in der Regierungszentrale wird die Kritik an Clement lauter. „Die Statistik“ müsse besser erklärt werden – mit den Hartz-Gesetzen werden viele Sozialhilfeempfänger erstmals als arbeitssuchend gezählt. Offene Kritik an Clement aber bleibt im Umfeld seines Nachfolgers Steinbrück vorerst tabu: „Wir werden Hartz nicht überhastet ändern. Sonst würden wir ja völlig unglaubwürdig.“

ANDREAS WYPUTTA