Senatorin bläst zum Staubangriff

Verkehrssenatorin Junge-Reyer untermauert mit einer Bundesratsinitiative ihren Luftreinhalteplan. Der soll Krebs erregenden Feinstaub reduzieren. Selbst Umweltschützer unterstützen das Konzept

VON ULRICH SCHULTE

Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sorgt sich um die Berliner Luft – und macht dafür auch bei anderen Wind. Die gestern vorgestellte Bundesratsinitiative hat nämlich nur einen Sinn: den jüngst veröffentlichten Luftreinhalteplan zu stützen. Junge-Reyer will bei den anderen Bundesländern jetzt für eine Kennzeichnungspflicht und steuerliche Anreize für schadstoffarme Dieselfahrzeuge werben. Auch ein neues Verkehrszeichen soll her: für eine Umweltzone in der Innenstadt.

Ob es nun eine Plakette an der Windschutzscheibe ist, die ausweist, was ein Auto durch den Auspuff bläst, oder ein Öko-Schild mit durchgestrichener Abgaswolke – das alles soll nur den rot-roten Luftreinhalteplan 2005–2010 auf bundespolitischer Ebene ergänzen.

Das vergangene Woche veröffentlichte Analyse- und Maßnahmenpapier hat zum Ziel, die Belastung der Luft mit krebserregendem Feinstaub unter die EU-Grenzwerte zu senken (die taz berichtete). Wichtigster Punkt ist eine so genannte Umweltzone, die hauptsächlich 200.000 BerlinerInnen schützen soll. Sie wohnen an Hauptverkehrsstraßen der Innenstadt und müssen deswegen besonders viel Dieselruß, Reifenabrieb oder andere so genannte PM-10-Partikel einatmen. In zwei Stufen will die Verkehrssenatorin Diesel-Stinker aus dem Gebiet innerhalb des S-Bahn-Ringes verbannen. Ab 2008 müssen Autos und Lkws, die die Schadstoffklasse Euro II nicht erfüllen, draußen bleiben. Ab 2010 gilt Gleiches für Fahrzeuge, die Euro III nicht einhalten. Fahrverbote für alle Autos schließt der Plan aber aus (siehe Text unten).

Naturschützer loben

Selbst Naturschützer loben das Konzept. Nur die Umsetzung ist zu lahm, findet der BUND, ebenso wie die Berliner Grünen. „Angesichts der hohen Zahl der Betroffenen muss die Umweltzone ab 2007 starten – und mit einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge ohne Rußfilter ergänzt werden. Das ist im Plan erst für 2010 vorgesehen“, sagt Martin Schlegel, Verkehrsreferent beim BUND Berlin. Die vorgestellte Bundesratsinitiative befürwortet er.

Anders die grüne Umweltfachfrau Felicitas Kubala, die nicht an eine Mehrheit in der Länderkammer glaubt und die Initiative gestern als „Verzögerungstaktik“ kritisierte: „Warum müssen Plaketten an die Autos? Verbote muss man eh kontrollieren. Und jedem Polizisten ist doch klar, dass er alte deutsche Dieselwagen rauswinken muss.“

Falls der Senat von seinem ehrgeizigen Plan abweicht, kündigte der BUND gestern eine Sammelklage an. 20 Leute, die an viel befahrenen Straßen wie Mehringdamm oder Torstraße lebten, hätten sich bereits gemeldet, sagt Schlegel. „Wir können ohne weiteres in der ganzen Innenstadt mobilisieren. Ein Rundschreiben liegt bereit.“ Schreite der Senat nicht wie angekündigt zur Tat, könne man schon im kommenden Jahr klagen.

In der Vergangenheit war Berlin mit ähnlichen Bundesratsinitiativen gescheitert. Die Verkehrsverwaltung hofft jetzt aber, mit dem Plakettenplan bei anderen Ländern Gehör zu finden. Denn seit Januar macht eine neue EU-Verordnung Druck: Der Feinstaub-Mittelwert eines Tages darf nicht über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, nur 35 Überschreitungen pro Jahr sind erlaubt. Das Jahresmittel darf nur 40 Mikrogramm betragen. Als Feinstaub gelten Minipartikel mit einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometern, deshalb die Bezeichnung PM 10. Davon schwebten 2002 insgesamt 4.199 Tonnen in Berlins Luft.