Vaterland versendet

Mit einem eigenen Fernsehsender will das russische Verteidigungsministerium fürs Militär werben

Als die Ergebnisse der von ihm in Auftrag gegebenen Studie zum Werteverständnis unter Jugendlichen auf dem Tisch lagen, war das Entsetzen im russischen Föderationsrat groß: Mehr als die Hälfte empfindet auf das Vaterland keinen besonderen Stolz. Nach fünf Jahren patriotischer Kärrnerarbeit des Kreml kommt dies einem ideologischen Armutszeugnis gleich. Dem Mangel an vaterländischer Gesinnung will Verteidigungsminister Sergej Iwanow nun mit einem neuen TV-Sender abhelfen, der Patriotismus und Wehrmoral besonders fördern soll.

„Swesda“, der Stern, heißt der Kanal in Anlehnung an das Symbol der Roten Armee. Zum arbeitsfreien Ehrentag der russischen Armee, dem 23. Februar, geht Swesda in Moskau und Umgebung auf Sendung, ab Mai soll der Stern landesweit zu sehen sein. Der Auftrag des Senders sei „die Effektivierung des informativ-weltanschaulichen Einflusses mit dem Ziel, die soziale Aktivität der Bürger zu erhöhen“, sagt Iwanow, der dabei aber nicht die Belebung der etwas schläfrigen russischen Zivilgesellschaft im Auge hat. Dem Minister geht es vielmehr um die zigtausend Wehrpflichtigen, die sich jedes Jahr wegen der Schikanierung in der Armee dem Wehrdienst entziehen. „Um das Vaterland zu verteidigen“, meint Swesda-Direktor Sergej Sawuschkin, „muss man es lieben.“ Mit einem Cocktail aus didaktischen Kindercartoons, sowjetischen Kriegsfilmen und Heldengeschichten, angereichert mit Marschmusik und Armeechören aus dem Archiv des Verteidigungsministeriums, hoffen die Initiatoren, ein breites Publikum zu erreichen. „Westliche Filme, die Russen als Barbaren oder Banditen darstellen“, werden ebenso aus dem Programm verbannt wie „Beiträge, die die Geschichte des Vaterlandes banalisieren.“

Ob die junge, bislang recht propagandaresistente Generation von MTV zu den Militärs überläuft, ist aber fraglich. Für das vom Bildungsministerium frisch ausgebrütete Programm „Wir lieben dich, Soldat“ dürfte die aufgeweckte Jugend bestenfalls ein mitleidiges Lächeln übrig haben. Sie quält eine andere Frage: Warum muss Patriotismus in Russland immer Militarismus sein? KLAUS-HELGE DONATH