Prosecco für Weißafrikaner

Die Zukunft des TV-Movies (1): Seit 2000 hat sich die Degeto zur Hauptlieferantin von ARD-Filmen entwickelt. Das heißt: immer mehr Edelkitsch à la „Kein Himmel über Afrika“ (heute, Do. 20.15 Uhr)

VON BERNHARD HÜBNER

„Der neue Freitag beginnt um 20.15 Uhr mit einem Film der Degeto, nach dem bekannten Muster: Starke Frauen schlagen schwache Männer oder, um einen eingängigen Titel zu nennen: ‚Frauen, die Prosecco trinken‘.“ Was ARD-Programmdirektor Günther Struve in feiner Selbstironie zur großen Programmreform des Freitagabends im Ersten von der Zunge perlt, finden andere viel weniger prickelnd. Als „Süßstoff-Offensive“ bezeichnet etwa Ulrich Spies vom Adolf Grimme Institut die Programmentwicklung bei der ARD. Andere warnen bereits vor der „Degeto-isierung“ des deutschen Fernsehens. Zu Recht.

In dieser Woche füllt die ARD gleich drei Abende mit Eigenproduktionen ihrer Hauptlieferantin Degeto. Das jetzt schon etablierte Filmchen am Freitag (diesmal: „Liebe hat Vorfahrt“) und an zwei weiteren Abenden „Kein Himmel über Afrika“, das TV-Event, das keines ist. Der Zweiteiler basiert zwar auf der „wahren Geschichte“ der Deutschen Kerstin Cameron, die zu Unrecht des Mordes an ihrem tansanischen Mann angeklagt wurde. Wahrer wird die Geschichte trotzdem nicht. Die meiste Zeit unterhalten sich weiße Großgrundbesitzer-Frauen irgendwo in Tansania auf Cocktailpartys über ihren Liebeskummer. Die Schwarzen dürfen in diesem ARD-Film immerhin das Geschirr abräumen oder in Massai-Stammeskleidung drohend in der Ferne stehen. Dieses kräftig herrenmenschelnde Liebesepos mit Veronica Ferres als Exoktik-Verfallener und dem französischen Kinostar Jean-Hugues Anglade als verfallener Exotiker („Abenteurer-Typen liegen mir“) ist typische Degeto-Kost: Wo sonst könnte man böse Männer noch am Satz erkennen: „Zwing mich nicht, dir wehzutun“?

Degeto, das ist mittlerweile das Synonym für seichte TV-Unterhaltung geworden. „Die heile Welt als Gegenpol zu Hartz IV und Tsunami“, nennt das Ulrich Spies. Und diese heile Welt ist voll von starken Frauen, dramatischen Liebesgeschichten und bekannten Gesichtern in einer prächtigen Landschaft, gerne auch am anderen Ende der Welt. Wenn man Millionen Hausfrauenträume bedienen will, kann es auch schon was kosten. Früher war die Deutsche Gesellschaft für Ton und Film für den Filmrechte-Einkauf aller ARD-Anstalten zuständig. Vor etwas weniger als fünf Jahren beschloss man bei der Degeto, den Großteil des Budgets – 2003 waren das ganze 358 Millionen Euro – zukünftig in eigene Produktionen zu stecken. Unterhaltung aus Hollywood war Ende der 90er zu teuer geworden. Die selbst produzierten Filme kann die ARD dagegen so oft wiederholen, wie sie will. Ein normales Degeto-Movie tingelt mittlerweile kostenbewusst für über zehn Zweitaufführungen durch die Dritten Programme.

Beim Umbau zur Heilen-Welt-Fabrik vor fünf Jahren war ARD-Programmdirektor Günther Struve Geschäftsführer der Degeto. Jetzt reformiert er das Programm im Ersten. Ab 11. März verbannt er den „Bericht aus Berlin“ aus dem Freitagabend-Programm. Dafür ist der 20.15-Uhr-Sendeplatz fest für Neunzigminüter aus dem Hause Degeto reserviert. Auch an den restlichen Wochentagen sind in diesem Jahr schon viele ähnlich tolle Filme eingeplant: „Die Frau des Sizilianers“, „Endloser Horizont“, „Der weiße Afrikaner“. Als ob irgendwer mit einem Degeto-Film über einen schwarzen Afrikaner gerechnet hätte.

„Die Produzenten anspruchsvoller Stoffe müssen kämpfen, wenn sie diese noch zur Hauptsendezeit unterbringen wollen“, sagt Spies. Deshalb erinnert er daran, dass auch Günther Struve einen Programmauftrag hat: „Der ist: zu bilden, zu informieren und zu unterhalten. Heute hat sich die Reihenfolge praktisch umgedreht. Unterhaltung steht an erster Stelle.“