Die Nato will den Dialog stärken

US-Präsident Bush besucht in Brüssel das westliche Verteidigungsbündnis. Die Mitgliedstaaten finden einen Kompromiss zum Irak: Alle wollen sich an der Ausbildung von Polizisten und Soldaten beteiligen. Doch die alten Konflikte bestehen unverändert

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Um den Riss im transatlantischen Bündnis zu kitten, war der amerikanische Präsident nach Europa gereist. Am Ende seines zweiten Brüsseler Besuchstags scheint ihm das gelungen zu sein. Mit der diplomatischen Formel, die nun gefunden wurde, können Gegner und Befürworter des Irakkrieges leben. Offiziell haben sich alle 26 Nato-Staaten bereit erklärt, bei der Ausbildung irakischer Polizeioffiziere und Militärs zu helfen. Die Zahl der Ausbilder vor Ort soll von 100 auf 160 erhöht werden.

Die Form dieser Hilfe aber können die Mitgliedstaaten selbst bestimmen und damit ihr Engagement im Irak so dosieren, dass sie alte Grundüberzeugungen nicht über Bord werfen müssen. Deutschland wird wie bisher auch weiterhin keine Ausbilder in den Irak schicken, sondern von den Nachbarstaaten aus seinen Beitrag leisten. Der französische Präsident Jacques Chirac kündigte gestern an, bis zu 1.500 Polizisten und Militärs im Gaza-Streifen ausbilden zu wollen. Für Länder, denen auch dieses Engagement zu weit geht, bleibt die Möglichkeit, sich nur finanziell zu beteiligen und in einen Ausbildungsfonds zu zahlen.

George W. Bush kann nun der Welt verkünden, die Geschichte habe ihm Recht gegeben. Das gesamte transatlantische Bündnis stehe geschlossen hinter ihm. Aus Washington angereiste journalistische Beobachter und Vertreter amerikanischer Think-Tanks in Brüssel werteten den Kompromiss gestern als Zeichen dafür, dass nach den Wahlen im Irak Deutschland und Frankreich ihre Haltung hätten ändern müssen. „Es wirkt zunehmend seltsam, wenn demokratische Regierungen sich weigern, der demokratisch gewählten Regierung in Bagdad zu helfen“, kommentierte ein CNN-Kollege.

Die Bevölkerung in Europa sieht Amerikas Rolle als Demokratie-Exporteur nach wie vor skeptisch. 78 Prozent der Deutschen, 84 Prozent der Franzosen und 66 Prozent der Briten missbilligen laut einer Umfrage des Ipsos-Instituts die Aussage von George W. Bush, sein Land müsse die Tyrannei in der Welt beenden.

Dass es zwischen den USA und Europa Gesprächsbedarf gibt und dafür die derzeitigen Nato-Strukturen nicht ausreichen, hatte Bundeskanzler Schröder vor zehn Tagen auf der Münchner Sicherheitskonferenz angemahnt. Sein Vorschlag, die Nato-Gremien durch ein unabhängiges Expertenteam bewerten zu lassen, findet nun nach anfänglichem Stirnrunzeln immer mehr Anhänger.

Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sagte gestern in Brüssel, der politische Dialog müsse verbessert werden. Jacques Chirac forderte: „Wir müssen mehr miteinander reden und einander mehr zuhören.“ Und Bush sagte, man brauche einen Ort, um über „strategische Angelegenheiten“ zu beraten. Dabei bezog er sich ausdrücklich auf die Rede Schröders. Gesprächsstoff gäbe es genug. Fast alle Konfliktpunkte zwischen den USA und dem „alten Europa“ sind auch nach Bushs europäischer Charmeoffensive unverändert offen.