Vollerotik, Vollfußball, Vollfilme

Wer mit Hollywood, Fußball und Pornos Geld verdienen will, kann jetzt in Pay-TV-Aktien investieren. Premiere plant den Durchbruch – wieder einmal

VON STEFFEN GRIMBERG

Es soll der größte Börsengang der deutschen Mediengeschichte werden: Knapp 1,2 Milliarden Euro will die Premiere AG am 9. März durch die Platzierung von gut 51 Prozent ihrer Anteile einnehmen. Dieses Ziel beurteilen Analysten skeptisch. Mit dem gestern bekannt gegebenen Ausgabekurs von 24 bis 28 Euro pro Aktie bleibt Premiere unter früheren, hochfliegenden Erwartungen.

Doch den Chef Georg Kofler ficht das nicht an: „Nach dem Fehlversuch der Kirch-Gruppe ist der Neustart von Pay-TV in Deutschland und Österreich gelungen“, gab sich Kofler gestern vor der Presse siegessicher. Er selber gehe schließlich mit bestem Beispiel voran: Kofler trennt sich zwar persönlich von einem dicken Aktienpaket, um den Börsengang möglich zu machen. Aber er hält auch künftig immer noch 13,9 Prozent an der Bezahlfernseh-Plattform, die in verschiedenen Programmpaketen bis zu 26 Kanäle anbietet: „Es gibt wohl kaum einen Vorstandschef eines großen Unternehmens, der so viel privates Vermögen auf die Zukunft seiner Firma setzt.“

Es gibt wohl auch kaum einen Vorstandschef, der seinen Laden verkörpert wie der Kaufmann Kofler. Als der 47-Jährige im Februar 2002 die Führung bei Leo Kirchs Premiere übernahm, höhnte die Financial Times Deutschland, war es „so viel wert wie ein Fernseher ohne Bildröhre“. Die Zahl der Abonnenten stagnierte seit Jahren um die 2 Millionen, zu teuer eingekaufte Sportrechte und Programmverträge mit nahezu allen Hollywood-Studios machten Premiere zum schwarzen Loch der Kirch-Gruppe. „Bezahlfernsehen“ war plötzlich ein Pfui-Wort im deutschen Fernsehmarkt, dem immerhin zweitwichtigsten der Welt nach den USA.

Jetzt steht Pay-TV zumindest laut Kofler vor dem Durchbruch: 3,25 Millionen AbonnentInnen in Deutschland und Österreich. Das entspricht einer „Durchdringungsrate“ im Markt von 8 Prozent, im übrigen Europa liegt sie weit höher (siehe Kasten), es gäbe daher ein enormes Wachstumspotenzial.

Zwar machte Premiere insgesamt im Geschäftsjahr 2004 weiter Verlust, schrieb aber im vierten Quartal wegen des guten Weihnachtsgeschäfts erstmals schwarze Zahlen. Jetzt soll es weitergehen, mit Spielfilmen, Sport – und Sex. Die Verträge mit Hollywood sind „zu vertretbaren Konditionen“ nachverhandelt, für die Deutsche Fußball-Liga gibt es durch den Börsengang noch einmal 15 Millionen Euro. 2006 laufen die Free-TV-Rechte der ARD aus, dann wird richtig verhandelt. Über Sex redet man auch ganz offen, nur nicht so gerne über Porno: „Vollerotik“ nennt Kofler, was im Premiere-Angebot „Blue Movie“ (Eigenwerbung: „Schluss mit soft, jetzt wird’s hart“) läuft.

„Pay-TV wird neben den Öffentlichen-Rechtlichen und dem privaten Free-TV endlich die dritte Kraft im deutschen Markt“, sagt auch Wolfram Winter, Chef der deutschen Kanäle von Studio Universal. Seine Programme sind über die Premiere-Plattform, aber auch im neuen Pay-Angebot von Kabelfernsehgesellschaften wie Kabel Deutschland (KDG) zu haben. Auch der Bertelsmann-Konzern, der sich schon vor Jahren endgültig vom „Bezahlfernsehen“ verabschiedet hatte, schließt ein Engagement in Deutschland nicht mehr grundsätzlich aus.

Kofler, immer gut für kesse Ankündigungen, konterte gestern auf seine Weise: „Ich möchte nicht ausschließen, dass Premiere mittel- oder langfristig auch ein Standbein im Free TV hat.“

Das „Wunder von Unterföhrung“ beschreibt der TV-Unternehmer immer wieder gern. Als er die Geschäftsführung übernahm, hätten dort verfeindete Abteilungen nur noch per Fax miteinander kommuniziert, erzählt Kofler bei solchen Gelegenheiten.

Was Kofler weniger gern berichtet: Rund 1.000 Arbeitsplätze mussten auch dran glauben. „Premiere ist letztlich ein emotionales Produkt“, sagt Pay-TV-Mann Winter. „Wenn du in der Lage bist, die Emotionen zu zünden, ist alles drin.“ Wie wichtig da Chefzünder Kofler ist, kann man schwarz auf weiß im Emissionsprospekt nachlesen. Unter den „Risiken in Bezug auf die Geschäftstätigkeit von Premiere“ heißt es dort in gänzlich unemotionalem Amtsdeutsch: „Die Geschäftsentwicklung von Premiere und das Vertrauen der Anleger hängen von wichtigen Führungskräften der Gesellschaft ab.“