FÊTE DE LA MUSIQUE
: Schlumpfmickymaus

Ich steckte mir den vorbereiteten Minijoint an

Von Weitem schon hörte man die Musik, so minimalistisch repetitiv, leicht hippiehaft herüberschallen. Sie flog gegen das Ver.di-Haus, kam dann zurück und verbreitete sich in der Gegend der Schillingbrücke, wo vielleicht tausend Leute bunt gekleidet auf dem Boden rumsaßen oder tanzten. Ich schloss mein Rad an die Brücke. Alles schien genauso wie vor zwei Jahren; die Zelte mit der Red-Bull-Reklame, die Leute, wie sie so tanzten. Nur dass es vor zwei Jahren in Strömen gegossen hatte.

Ich ging zwischen den Leuten umher, die meisten so Mitte zwanzig, im Alter meiner Kusinen. Die Sonne schien, ich steckte mir einen Minijoint an, den ich schon vorbereitet hatte, und wippte ein bisschen im Sand in der Gegend der Bühne. Ein Typ, zwanzig Jahre jünger als ich, fröhlich tanzend, kam auf mich zu, steckte mir seinen Minijoint entgegen. Kurz wusste ich nicht, was er wollte, dann tauschten wir unsere Joints.

Ein bisschen wie er werde ich vielleicht auch mal gewesen sein. Wir rauchten und lächelten einander anerkennend an. In dem Joint, den ich gedreht hatte, war nicht besonders viel drin, aber eigentlich ging es ja auch vor allem um diesen Akt des Austauschs. Ich blieb nur eine Weile und ging dann wieder, während er mit seinen Freunden weitertanzte. Die Bässe hallten wider vom Ver.di-Haus, vor dem ein Polizeiauto stand, aus dem zwei junge Polizisten ausstiegen und sich, von Pfiffen begleitet, auf den Weg zur Bühne machten. Kurz war es etwas leiser geworden, dann setzten die Bässe triumphierend wieder ein, während ich mit dem Rad heimfuhr. Zu Hause dann, am Schreibtisch, durchs offene Fenster, hörte ich, wie eine Punkband vor der Kneipe unten mit ihrem Konzert begann. Es war dieselbe wie vor zwei Jahren. Eine Frau rief: „Unser nächstes Stück heißt Schlumpfmickymaus.“ Das ist Kreuzberg. Ich ging dann „Tatort“ gucken.

DETLEF KUHLBRODT