Analoge Boheme

Es geht also doch: Das seit Jahren durch die Feuilletons wabernde Thema Prekariat und Freiberuflertum zu behandeln und nicht die Wir-nennen-es-Arbeit-Apologeten Sascha Lobo und Holm Friebe auftreten zu lassen.

Stattdessen geht es in der zynisch „Prekär, frei und Spaß dabei“ betitelten Dokumentation um die analoge Boheme. Marita Neher porträtiert Kulturschaffende, die sich im Spannungsfeld von Selbstbestimmtheit und Selbstausbeutung bewegen und die eigene Lebenssituation in ihren Werken kritisch reflektieren. Im Mittelpunkt stehen die Berliner Sängerinnen Christiane Rösinger, die im Songtext fragt „Ist das noch Boheme oder schon die Unterschicht?“, und Bernadette La Hengst, die unter anderem eine Bettleroper inszeniert hat. Außerdem treten auf: Theaterregisseur René Pollesch, der Kopenhagener Beschwerdechor, die Künstlergruppe Superflex und der Grafiker Gérard Paris-Clavel. Für kapitalismuskritisches Hintergrundwissen sorgen Organisatoren und Grafiker der EuroMayday-Parade – einer Alternative zu den klassischen 1.-Mai-Demos, von denen sich das Prekariat nicht mehr vertreten fühlt.

Gute Protagonisten, ein flottes Erzähltempo, ordentlich Tiefgang – und trotzdem bleibt eine gewisse Leere zurück. Hinterher ist man nicht wirklich schlauer. Den meisten Zuschauern dürfte die Problematik hinreichend bekannt sein – mit so viel Musik wurde sie allerdings selten dargestellt. MICHAEL BRAKE

„Prekär, frei und Spaß dabei!“, 22.20 Uhr, Arte