Wachstum im Regal

Zwischen Masse und Nische: Bioprodukte boomen auch in großen Supermärkten. Kleine Läden müssen sich nun spezialisieren

VON ANGELA VOLKERS

Es ist noch gar nicht lange her, da gab es das knackige Roggenbrötchen auf Biobasis, den Saft von ökologisch angebauten Tomaten oder die Butter zufriedener Kühe aus Biohaltung nur direkt beim Erzeuger oder im kleinen Bioladen nebenan. Doch die Zeiten haben sich geändert: Inzwischen haben die kleinen Biofachmärkte auf Tante-Emma-Basis Konkurrenz bekommen von Biosupermärkten, die von der Größe und Aufmachung kaum noch zu unterscheiden sind von den klassischen Pendants. Doch die Schraube dreht sich weiter: Denn auch die großen Biosupermärkte müssen sich dem Wettbewerb mit herkömmlichen Konkurrenten stellen, die Bioprodukte in ihr Sortiment aufnehmen.

„Der Umsatz im Biofachhandel ist im letzten Jahr kräftig gewachsen“, sagt Katja Niedzwezky vom Bundesverband Naturkost Naturwaren Herstellung und Handel (BNN Herstellung und Handel), der die Interessen der Herstellungs- und Handelsunternehmen der Naturkostbranche vertritt. Allein im zweiten Quartal des vergangenen Jahres habe es ein Umsatzplus von mehr als 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr gegeben, 2004 legte die Biobranche „wohl an die zehn Prozent zu“, schätzt Niedzweky. Vor allem frische Waren wie Obst, Fleisch, Gemüse oder Milchprodukte fanden verstärkt den Weg in die Einkaufswagen.

Ein Grund für den „regelrechten Boom“, vermutet die Verbandssprecherin, „ist wahrscheinlich die Debatte um Pestizid oder gentechnisch belastetes Essen, die im vergangenen Jahres landauf, landab geführt wurde“. Viele Biomärkte hätten durch diese Skandale „Neukunden gefunden, die dann beim Bioessen hängen geblieben sind“. Gerade die modernen Biosupermärkte hätten dafür gesorgt, dass die Schwelle gesunken sei: „Viele haben gemerkt, dass man sich im Bioladen nicht duzen muss.“

Kleinere Läden hätten vor allem dann eine Chance, wenn sie ihr Angebot spezialisierten und „eine Nische“ finden. Das könnten zum Beispiel italienische Lebensmittel aus Bioanbau sein oder „Snackangebote für die Mittagszeit“. Auch kleinere Fachgeschäfte in Regionen mit nur wenig Bioversorgung hätten gute Überlebenschancen.

Gerade die großen Märkte konnten im vergangenen Jahr beim Umsatz deutlich zulegen, belegt das „Naturkostbarometer 2004“ der Solinger Unternehmensberatung wob-Hartmann: „Je größer die Fläche, desto höher waren die Umsatzzuwächse“, erläutert Firmenchef Horst Hartmann ein Ergebnis der Untersuchung. Zwar legten auch kleinere Biofachgeschäfte beim Umsatz zu, den größten Anstieg beim Umsatz verbuchten aber die Geschäfte über 150 Quadratmeter. „Inzwischen gibt es eine sehr große Auswahl an Bioprodukten, die sich kaum noch auf kleinen Flächen unterbringen lässt“, so der Namensgeber der Agentur, die seit 20 Jahren den Naturkosthandel berät. Grund zur Panik besteht nach Einschätzung des diplomierten Ökonoms aber auch für kleine Bioläden nicht: „Verglichen mit der herkömmlichen Lebensmittelbranche ist ein Naturkostladen recht krisensicher.“ Besonders im Servicebereich könnten auch kleinere Geschäfte über die „Kundenansprache und eine intensive Beratung“ Marktanteile sichern. Auch für das Jahr 2005 erwartet der größte Teil der rund 110 Geschäfte, die für das Naturkostbarometer befragt wurden, ein positives Wachstum.

Zahlen, die auch Kai Kreuzer, des Online-Magazins „Bio-Markt.Info“ bestätigen kann: „Die Naturkostbranche hat sich mit enormer Dynamik und Innovationskraft entwickelt.“ Im Jahr 2004 wurden bundesweit rund 13 Millionen Euro in Biofachmärkte investiert, schätzt der Herausgeber des Fachmagazins für den Naturkosthandel. Inzwischen gebe es bundesweit 250 Biofachmärkte mit einer Fläche ab 200 Quadratmeter. Im vergangenen Jahr hätten in Deutschland 40 Biosupermärkte, Fachgeschäfte sowie Reformhäuser mit hohem Bioanteil eröffnet. Die neu entstandene Verkaufsfläche beträgt rund 14.000 Quadratmeter.

In einigen Regionen wie zum Beispiel in Hessen oder im Ruhrgebiet gebe es auch für große Märkte noch „klare Wachstumspotenziale“. Kunden, sagt der Fachjournalist, würden gerade in größeren Fachmärkten das „breite Angebot von bis zu 10.000 Artikeln schätzen“. Kleinen Fachmärkten rät auch Kreuzer, sich zu spezialisieren oder „mit einer guten Bedienung zu punkten“. Die Konkurrenz im traditionellen Lebensmittelhandel habe den Biofachmärkten bislang kaum Kundschaft abspenstig machen können: „Deren Sortiment im separaten Regal umfasst häufig gerade mal 300 Artikel.“