Wie Soaps mit Außendrehs

Die Zukunft des TV-Movies (2): Zahlenmäßig bleibt das Engagement von Pro7, Sat.1 und RTL konstant, inhaltlich bewegt es sich zwischen Beischlafoffensive und Romanzenvollstreckung

VON CHRISTIAN BUSS

Treffen sich zwei Sexsüchtige zum Candlelight-Dinner … So beginnen schlechte Witze, so enden romantische Komödien auf Pro7. In „Scharf wie Chili“, der Nonsensballung, die zum Beispiel heute Abend läuft, geht es um zwei Sexaholics, die sich nach triebbedingten Verwicklungen ineinander verlieben. Ein Plot, der die Misere versinnbildlicht: Mit Titeln wie „Sex Up“, „Popp dich schlank“ oder eben „Scharf wie Chili“ versucht Pro7 partout das Derbe mit dem Romantischen zu vereinen. Als wolle man onanierende Jungs ebenso vor dem Fernseher halten wie einsame Sekretärinnen – oder, anders formuliert, die Werbepausen gleichermaßen mit Spots für Klingeltöne wie für Kleinwagen und Diätwurst bestücken.

„Unsere jungen Komödien“, sagt Pro7-Redaktionsleiter Christian Balz, „richten sich grundsätzlich an ein breites Publikum, sind aber oft besonders für die 14- bis 39-Jährigen attraktiv. Allerdings muss man sich bei jedem Film erzählerisch entscheiden, ob man einen Tick mehr die Frauen oder die Männer erreichen will. Das ist bei uns 50:50.“

Überlange Sketchshows

Dass diese Zielgruppenbündelung finanziell aufgeht, mag man nicht glauben – auch wenn die Filmchen selbst nicht allzu viel gekostet haben können. Meist sind sie gedreht wie Soaps mit ein paar Außenansichten. Und wo die Location ein bisschen aufwändiger ist, etwa in der Kreuzfahrtklamotte „Mädchen über Bord“, geht man eben eine Crosspromotion mit einem Luxusdampfer ein.

Wie in guten alten Zeiten wird Pro7 auch dieses Jahr 15 lange Eigenproduktionen zeigen. Das Engagement im TV-Movie-Bereich bleibt numerisch also konstant, das Konzept indes verwischt zusehends. Der Privatsender, der noch vor wenigen Jahren mit Zweiteilern wie dem BKA-Thriller „Operation Rubikon“ gewagt die Grenzen des Genres auslotete, produziert mit seinen derzeitigen Sexkomödchen eigentlich nichts anderes als überlange Sketchshows. Demnächst, so Balz, sollen allerdings mehr Action-, Abenteuer- und Katastrophenfilme sowie auch wieder Krimis ins Programm gehoben werden. Klingt vernünftig. Die beschränkten Inhalte der Komödien sollten indes lieber in angemesseneren Formaten verbreitet werden. Vom Konzept des Spielfilms und seinen Plausibilitätstechniken hat man sich bei Pro7 für die Beischlafoffensive der nächsten Wochen jedenfalls erst mal komplett verabschiedet.

Der Sender könnte durchaus von Sat.1 lernen. Während man dort im Comedy-Bereich immer kurzfristiger und zielgruppengenauer arbeitet (jeder Region ihre Witzshow!), beweist man im Spielfilmbereich einen extrem langen Atem. Der neue Chef Roger Schawinski hat daran nichts geändert. Was wohl auch daran liegt, dass er die langjährige Redaktionsleiterin für fiktive Formate, Alicia Remirez, in die Geschäftsführung geholt hat.

Besseres Diätwurstumfeld

Ganze zwei Dutzend neue TV-Movies sollen auch dieses Jahr bei Sat.1 zu sehen sein. Dabei weicht man kaum von der alten Linie ab: Am Dienstag gibt es meist Romanzenvollstreckung der gehobenen Art. Hübsche Männer und Frauen agieren vor edler Kulisse – und meist so passabel, dass man ihnen ihre irrealen Wolkenkuckucksheim-Erklimmungen abnimmt. Die Kleinwagen- und Diätwursthersteller finden hier das bessere Werbeumfeld.

Außerdem wird Sat.1 weiterhin seine erprobte Event-Movie-Masche fahren: Patente Gaga-Action wie „Die Nibelungen“ wechselt mit deutschen Erweckungsspektakeln à la „Das Wunder von Lengede“. Demnächst wird dann wieder „Die Luftbrücke“ nach Berlin errichtet. Die Filmbranche ist angesichts solcher Ereignisse stets in Preisvergabelaune, allein schon deshalb, weil da in Zeiten stetig zusammengestrichener Drehtage noch immer Geld für große Fernsehunterhaltung locker gemacht wird. Den bedenklichen restaurativen Grundton der zeitgeschichtlichen TV-Blockbuster ignoriert man gerne. Vorbei sind die Tage, da exzellente Zweiteiler wie „Vera Brühne“ auch düstere Kapitel der BRD beleuchteten. Jetzt ist da nur noch „Eva Blond“, wo gelegentlich ein bisschen Wirklichkeit in die schöne alte, festgefügte Fernsehwelt von Sat.1 schwappt.

Und RTL? Einst drehte der Sender einen Spielfilm nach dem anderen, und zwischen all dem Trash lief dann auch mal eine Komödie, die gar nicht so dumm von lesbischen Lebensgemeinschaften erzählte. Wirklich wahr! Zur Zeit ist es aufgrund des Führungswechsels offen, wie es weitergeht. „Jeder macht sein Schatzköfferchen auf, aber niemand weiß, was der neue alte Chef sich daraus greifen wird“, heißt es aus der Presseabteilung. Der angekündigte Ereignisfilm über die Hamburger Sturmflut von 1962 läuft erst 2006, ansonsten sind die alten Nasen von RTL wohl auch die neuen: Walter Sittler soll Profiler werden, Gaby Köster spielt schon wieder „Die Bullenbraut“, Mariele Millowitsch ist im dritten Teil der „Stimmen“ zu sehen. Alles ist offen, alles ist vorhersehbar. Das TV-Movie bei den privaten Anbietern: Stagnation als Strategie.