Putin und Bush im schleppenden Dialog

Der Kreml-Chef Putin trifft heute den US-Präsidenten. Seit dessen Amtsantritt haben sich die bilateralen Beziehungen gewandelt. Der russischen Außenpolitik fehlt eine klare Linie. Moskau neigt zum Rückgriff auf alte Verhaltensweisen

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Nach einem ausgewogenen Mittagsmenu mit russischem Borschtsch und texanischem Steak geht es in Bratislava, wo sich Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident George Bush heute zum Gipfelgespräch treffen, erst später ans Eingemachte. Zunächst waren vier Stunden für die Unterredung der beiden Staatschefs eingeplant. Inzwischen sind nur noch zweieinhalb Stunden angesetzt, berichtete die Wremja Nowostej (WN).

Zwei Schlüsse könnte man daraus ziehen. Das Verhältnis ist so harmonisch, dass eine längere Aussprache nicht erforderlich ist, oder – was dem Kern der Sache wohl näher kommt: Je knapper die Zeit, desto kürzer die Liste der unerfreulichen Themen. Von wem die Initiative ausging, verrieten die WN nicht. Am Ende kommt es wohl beiden Seiten zupass. Trotz erheblicher Vorbehalte gegen die autokratischen Tendenzen in Russland will Washington Putin nicht verprellen. Zumal dessen außenpolitische Zuflüsterer fast nur noch aus jenem Milieu stammen, das überzeugt ist, alle Welt wolle Moskau übel mitspielen.

In der Ära Bush haben die bilateralen Beziehungen einen erheblichen Wandel durchlaufen. Nach dem 11. September bot sich Putin dem Weißen Haus noch als „Juniorpartner“ im Kampf gegen den Terror an. Inzwischen ist das Verhältnis nicht nur abgekühlt, unabhängige russische US-Experten meinen gar, die strategische Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten besäße nur noch deklamatorischen Charakter. Widersprüche und Dissonanzen beherrschten den schleppenden Dialog, wie es seit dem Ende der Sowjetunion nicht mehr der Fall gewesen sei.

Die Transformation Russlands durch Integration, diese Erfahrung musste auch die EU machen, ist gescheitert. 2004 zeigte sich, dass der russischen Außenpolitik eine klare Linie fehlt und dass sie dazu neigt, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen. Imperiales Gehabe, Drohungen gegen ehemalige Satelliten und das Rasseln mit alten und neuen Atomwaffen sind wieder Mittel, mit denen der Kreml hofft, sich Gehör zu verschaffen. Diese Strategie verfängt nicht mehr: Für die Ukraine, Georgien und demnächst wohl auch Moldawien hat Russland als Vormacht jegliche Attraktivität verloren. Stattdessen buhlt Moskau nun um die Gunst der Autokraten in den zentralasiatischen Staaten.

Vor diesem Hintergrund gerät die Partnerschaft mit dem Westen – wie die Demokratie im Innern – zur reinen Imitation. Der Rückgriff auf ausgediente Muster legt nahe, dass das System Putin nicht in der Lage ist, die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern. Im außenpolitischen Schwenk spiegelt sich das Bemühen wider, die reaktionäre politische Klasse im Innern zu konsolidieren. Das weist auf sehr poröse Machtverhältnisse hin, die jederzeit zusammenbrechen und den Kremlchef unter sich begraben können.

Busch und Putin haben daher wenig zukunftsweisenden Gesprächsstoff. Selbst wenn die USA mehr Demokratie einfordern sollten, bleiben dem Kremlchef die Hände gebunden. Langsam wird sich der Westen deshalb wieder daran gewöhnen müssen, mit Russland – statt strategische Pläne zu schmieden – die Probleme pragmatisch anzugehen und jede Dissonanz einzeln auszuräumen.

Das russische Atomgeschäft mit dem Iran, dem Moskau in Buschehr einen Reaktor baut, steht ganz oben auf der Gipfelagenda. Washington fürchtet, Teheran könnte das Wissen für die Herstellung von Atomwaffen nutzen. Bislang weigerte sich der Kreml, dem Drängen der Amerikaner nachzugeben. Inzwischen scheint Moskau aber bereit zu sein, den Reaktor nur fertig zu stellen, wenn der Iran die abgebrannten Brennstäbe wieder an Russland zurückgibt.

Für Irritationen sorgte nicht nur das innige Verhältnis zu den Ajatollahs, sondern auch die guten Beziehungen zu Syrien, die der Kreml in den letzten Wochen demonstrativ zur Schau stellte. Beide Staaten haben die USA im Verdacht, im Irak an Terrorakten beteiligt zu sein. Letzte Woche gab Moskau bekannt, es werde Syrien mit einem neuen Raketensystem beliefern. Wenn es dem Kreml gelingen sollte, dem „freundlichen, aber strengen Onkel mit der Pickelhaube“, so Putin über die USA kürzlich, die Bedenken zu nehmen, dürfte die Zeit des Gesprächs abgelaufen sein. Auch für russische Demokratie.