schurians runde welten
: Fußball ist für‘n Arsch

„Schalke ist einer der am besten geführten Clubs in Europa. Er verfügt über modernste Anlagen. Das Management-Team weiß genau, wie es das Vermögen maximiert.“

(Finanzier Stephen Schechter)

Es gibt mittlerweile Fußballvereine, die Nazis, Neonazis, Rechtsextreme nicht in ihren Reihen haben wollen – und eigentlich ehrt sie das natürlich. So hat der FC Schalke 04 nun erklärt, dass er Vereinsmitglieder ausschließen lassen will, die auch in der NPD oder bei den Republikanern oder ähnlichen Verbindungen organisiert sind. Derart braune Königsblaue würden sich vereinswidrig verhalten, weil ein Schalker Vereinszweck die Förderung der „sozialen Integration der ausländischen Mitbürger“ sei. Der Verein hat zudem angekündigt, härter gegen Neonazis in der Schalke-Arena vorzugehen, die sich durch einschlägige Symbole zu erkennen geben. Auch das trifft kaum die Falschen. Trotzdem wird mir nicht wohl bei dem Gedanken, sondern sentimental.

Vielleicht deshalb: „Du hast wahrscheinlich gearbeitet, Du Arsch“, böse funkelte mich G. an. Ich traf ihn in der Straßenbahn auf der Anfahrt zum Heimspiel. Erst hatte er noch etwas gemurmelt, er erwarte ein Kirkegaardsches Spiel und dann teilte er aus. „Sagtest Du Arsch?“, fragte ich also zurück. „Ja“, sagte er. Ich habe G. dann aus den Augen verloren und nicht verstanden, mir aber meinen Reim darauf gemacht. Der geht ungefähr so:

Zum Fußball zu gehen, heißt die Welt hinter sich zu lassen. Und die gute Kinderstube. Also wird beim Fußball getrunken, es wird gepisst, geschrien, geschimpft, beleidigt. Es wird sich umarmt, gestoßen, in Bier geduscht. Und wer das, wie etwa ein Sportreporter – zumal einer, der früher auch im Bierdunst nach Hause kreuzte – nur noch beobachtet, ist ein Voyeur, ein Spielverderber, kurzum: ein Arsch.

Doch die Spielverderber haben sich mittlerweile überall im Fußball eingenistet. Nicht nur auf Pressetribünen geht es gesittet zu, auch die Kurven haben ihre alte Brachialität längst verloren.

Ich vermute, das geschah auch deshalb, weil Menschen wie du und ich und G. eines Tages in den Fußball drängten und ihren Kirkegaard einmal nur Sören sein lassen wollten. Weil aber durch sie die Erzählungen vom Fußball, von dem rauen Charme einer vergessenen Welt auch dort landeten, wo mit bewegten Geschichten Geld verdient wird, wurde Fußball neu entdeckt, populär wie nie: Eine bunte Auszeit für Stadtmenschen wie ich und du und G. und all die anderen Ärsche.

26.2. Dortmund – Mainz

Und so gesehen hat die Finanzkrise von Borussia jenen Club erwischt, der besonders für die Wiederentdeckung des Fußballs stand, von ihr profitierte und jetzt – wiederum als erster – kleine Brötchen backen muss. Ausschlussverfahren können sie sich im Westfalenstadion nicht mehr leisten. CHRISTOPH SCHURIAN